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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Vorstellungskraft – nicht hinaus; vielleicht ist es dieser Moment, als die Karren ihre Fracht vor dem Schafott abladen: eben noch lebende, atmende Kreaturen, bald nur noch tote Körper. Danton stellt sich vor, dass er als der Bedeutendste der Verurteilten als Letzter an die Reihe kommen und bis kurz vor Schluss Camille an seiner Seite haben wird. Er denkt weniger an die Ewigkeit als daran, wie er seinen Freund während der letzten Viertelstunde an Leib und Seele intakt halten kann, bis die Kurzmacherin sie voneinander trennt.
    Aber natürlich ist es nicht so. Warum sollte etwas so sein, wie man es sich vorstellt? Als Ersten zerren sie Hérault fort, oder vielmehr berühren sie ihn am Ellbogen und geleiten ihn zu seinem Ende. »Leben Sie wohl, meine Freunde«, sagt Hérault, mehr nicht; und schon ergreifen sie Camille. Es leuchtet ein. Wer die Zuschauer in irgendeiner Weise aus der Fassung bringen könnte, muss so schnell wie möglich beseitigt werden.
    Camille ist mit einem Mal ganz ruhig. Hérault kann nicht mehr sehen, was sein gutes Beispiel bewirkt hat, aber Camille nickt Henri Sanson jetzt zu. »Um es mit Robespierres Worten zu sagen: Man kann sich ein Lächeln nicht verkneifen. Der Vater dieses Mannes hat mich wegen Verleumdung verklagt. Aber mir scheint, jetzt bin ich es, der Grund zur Klage hat.«
    Er lächelt tatsächlich. Danton dreht sich der Magen um: atmende Kreaturen, tote Körper. Er sieht, wie Camille mit Sanson spricht, sieht, wie der Mann das Medaillon aus seinen gebundenen Händen nimmt. Das Medaillon ist für Annette. Er wird nicht vergessen, es ihr auszuhändigen, die letzten Wünsche sind heilig, und er gehört einem ehrbaren Gewerbe an. Zehn Sekunden lang schaut Danton weg. Danach verfolgt er alles, jedes plötzliche Aufblühen von Lebensblut. Er beobachtet jeden einzelnen Tod, bis er schließlich zu seinem eigenen geleitet wird.
    »He, Sanson?«
    »Bürger Danton?«
    »Zeigen Sie den Leuten meinen Kopf. Es ist die Mühe wert.«
     
    RUE HONORÉ : Vor vielen Jahren saß seine Mutter einmal am Fenster und klöppelte Spitze. Das helle Morgenlicht fiel auf sie beide. Er begriff, dass das Entscheidende die Lücken waren, dass die Muster durch die Zwischenräume entstanden, nicht durch die Fäden an sich. »Zeig mir, wie das geht«, sagte er. »Ich will es lernen.«
    »Das ist nichts für Jungen«, sagte sie. Ihr Gesicht war ruhig, ihre Hände arbeiteten weiter. Es schnürte ihm die Kehle zu, derart ausgeschlossen zu werden.
    Wann immer er heute ein Stück Spitze betrachtet, meint er – trotz seiner schlechten Augen –, jeden einzelnen Faden zu erkennen. Wenn er im Ausschuss sitzt, steigt dieses Bild in ihm auf und zwingt ihn, weit in seine Kindheit zurückzublicken. Er sieht die junge Frau auf dem Fensterbrett, ihren gewölbten Bauch, todesschwanger; er sieht das Licht auf ihrem geneigten Kopf, unter ihren Fingern das luftige Muster, es fliegt davon, ins Nirgendwo.

The Times, 8. April 1794:
     
Als es vor kurzem zur Versöhnung zwischen Robespierre und Danton kam, merkten wir an, diese sei wohl eher auf die Angst zurückzuführen, welche diese beiden berühmten Revolutionäre voreinander hegten, als auf wechselseitige Zuneigung. Wir fügten hinzu, dass ihr Einvernehmen vermutlich nur so lange Bestand haben werde, bis der Geschicktere der beiden einen Weg gefunden haben würde, seinen Rivalen zu beseitigen. Dieser Moment ist nun – Danton zum Verhängnis – gekommen … Wir begreifen nicht, warum Camille Desmoulins, der von Robespierre so unverhohlen protegiert wurde, im Triumph dieses Diktators zermahlen wurde.

Anhang
     
    Lucile Desmoulins und General Dillon wurden wegen Verrats vor Gericht gestellt und am 24. Germinal hingerichtet. Maximilien Robespierre wurde ohne Gerichtsverfahren am 10. Thermidor beziehungsweise 28. Juli hingerichtet. Das Gleiche galt für seinen Bruder Antoine, für Antoine Saint-Just und für Couthon. Philippe Lebas erschoss sich.
    Louise Danton heiratete Claude Dupin und wurde im Empire zur Baronesse.
    Anne Théroigne starb 1817 in der geschlossenen Nervenheilanstalt La Salpêtrière.
    Charlotte Robespierre, die unverheiratet blieb, erhielt eine kleine Leibrente von Napoleon. Eléonore blieb die »Witwe Robespierre«. Maximiliens Vater war, wie sich herausstellte, bereits 1777 in München gestorben.
    Legendre starb 1795. Robert Lindet überlebte und brachte es weit. Dantons Söhne kehrten in dessen Provinz zurück und bestellten ihr Land.
    Stanislas Fréron

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