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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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das war – derlei steht mir nicht zu –, aber jedem muss doch wohl klar sein, dass es Beleidigungen gibt, die ein König nicht hinnehmen, nicht auf sich sitzen lassen kann, wenn er der König bleiben will. Louis sah das offenbar auch so, denn er entließ das Kabinett.
    Die Freunde meines Mannes sprachen von einem Kabinett der Patrioten. Sie nannten es einen nationalen Notstand. Sie sind recht gut darin, sich Notstände zunutze zu machen.
    General Dumouriez wurde nicht entlassen. Offensichtlich war seine Stellung bei Hofe eine etwas andere. Aber er kam zu uns. Ich schämte mich. Georges lief auf und ab und stauchte ihn zusammen. Er werde den Hof schon noch das Fürchten lehren, schrie er; der König müsse sich von der Königin scheiden lassen und sie heimschicken nach Österreich. Als der General ging, war er weiß um die Lippen. Am nächsten Tag reichte er seinen Rücktritt ein und kehrte wieder zur Armee zurück. Georges sei um einiges bedrohlicher als die Österreicher, sagte Camille.
    Dann erhielt die Versammlung ein Schreiben von Lafayette, das sie dazu aufforderte, die Clubs aufzulösen, die Jakobiner und die Cordeliers zu verbieten, sonst … sonst was? Würde er mit seiner Armee gegen Paris vorrücken? »Soll er sich nur herwagen«, sagte Georges. »Ich hacke ihn in Stücke und kippe sie der Königin in ihr königliches Schlafgemach.«
    Die Versammlung würde sich nicht trauen, gegen die Clubs vorzugehen – aber mir war klar, dass die Patrioten schon allein für das Ansinnen irgendeine Form der Rache nehmen würden. Diese Krisen scheinen nach einem festen Muster abzulaufen. Louise Gély fragte meinen Mann: »Ist etwas im Busch, M. Danton?«
    »Na, was meinst du?« Er wirkte belustigt. »Wie wär’s mit einer zweiten Revolution?«
    Mit einem gespielten Schauder wandte sie sich zu mir um: »Will jetzt Ihr Mann König werden?«
    Das Kommen und Gehen in unserer Wohnung wollte noch sorgfältiger als sonst abgestimmt sein, damit Chaumette nur ja nicht auf Vergniaud traf oder Héberts Weg den von Legendre kreuzte. Eine Zumutung für mich, eine Zumutung für die Dienstboten. Ich spürte die Spannung in der Luft, diese Spannung, die besagt, morgen, spätestens übermorgen … Robespierre kam und unterhielt sich höflich mit mir. Er sah aus wie immer, wie eine Schneiderpuppe frisch aus der Schachtel: so förmlich, so sauber barbiert, so wohlerzogen. Aber er trug zu seinem gestreiften olivgrünen Rock ein kleines Lächeln um die Lippen, das sein Gesicht gar nicht mehr verlassen zu wollen schien – ein angespanntes Lächeln, das er laut Camille immer dann aufsetzt, wenn er alle am liebsten nur noch anschreien würde. Er erkundigte sich nach dem Kleinen, er begann Antoine eine Geschichte zu erzählen und versprach, sie in einem Tag oder zweien fertigzuerzählen. Es machte mir Mut; vielleicht überleben wir ja doch, dachte ich. Seltsam eigentlich, dass ein Mann, der so adrett und akkurat ist wie M. Robespierre, Kinder und Katzen und Hunde so mag. Es sind nur wir anderen, für die er dieses beunruhigende Lächeln braucht.
    Inzwischen war es schon recht spät. Pétion ging als Letzter. Ich hielt mich im Hintergrund. Die Tür zum Arbeitszimmer öffnete sich. Mein Mann schlug Pétion auf die Schulter. »Der richtige Zeitpunkt, das ist es«, sagte er.
    »Keine Angst, ich werde nicht vorzeitig einschreiten«, sagte der Bürgermeister. »Ich lasse mich blicken, aber nicht zu früh. Es wird genügend Zeit sein, dass die Ereignisse ihren natürlichen Lauf nehmen können.«
    Jetzt ist er allein, dachte ich, jetzt sind alle weg. Aber als ich vor der Tür stand – die schon wieder zu war –, hörte ich Camilles Stimme: »Ich dachte, diesmal sollte es die Taktik des Stiers sein. Die Taktik des Löwen. Das hast du gesagt.«
    »Und das meine ich auch so. Aber erst, wenn ich so weit bin.«
    »Seit wann reden Stiere davon, wann sie ›so weit sind‹?«
    »Also, bei Stieren bin ja wohl ich der Experte. Sie reden überhaupt nicht, das ist ja ihr Erfolgsrezept.«
    »Brüllen sie nicht wenigstens ein bisschen?«
    »Nicht die wahrhaft erfolgreichen.«
    Eine Pause. Dann sagte Camille: »Aber man überlässt es nicht dem Zufall. Wenn man den Tod von jemandem will, überlässt man das nicht dem Zufall.«
    »Welches Recht habe ich, den Tod des Königs zu wollen? Wenn der Distrikt Saint-Antoine ihn töten will, wird er das tun. Morgen oder zu irgendeinem zukünftigen Zeitpunkt.«
    »Oder auch gar nicht. All dieser plötzliche Fatalismus.

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