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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Feixen. Wie müsste es sein, diese Narbe zu berühren? Wie würde sie sich unter den Fingerspitzen anfühlen? Dieser Mann hatte eine Frau. Er hatte angeblich auch einen ganzen Schwarm von Geliebten. Frauenfinger hatten diese Narbe liebkost, waren ihre Zacken und Wülste nachgefahren.
    Er fing ihren Blick auf. Sie wandte sich hastig ab und mochte danach nicht mehr zu ihm hinsehen – was dachte er nun von ihr? Vorsichtig tasteten ihre Augen sich zu ihm zurück. Ja, forderte sein Gesicht sie auf, schau gut her! Einen Mann wie mich hast du in deinem behüteten kleinen Leben noch nicht gesehen.
    Und am Dienstagmorgen war das Einzige, was Danton in müder Verbitterung zu sagen fand: »Gut, wer von uns schläft mit dem Miststück? Da sie so klar darauf brennt?«
    »Wozu fragst du?«, sagte Fabre. »Sie hat dich geschlagene zwei Stunden angestarrt.«
    »Frauen sind seltsam«, sagte Danton.
    »Apropos seltsame Frauen: Ich habe gehört, dass Théroigne wieder im Lande sein soll. Die Österreicher haben sie laufen lassen – vielleicht hoffen sie, dass sie die Revolution in Misskredit bringt.«
    »Viel zu kompliziert gedacht«, sagte Danton. »Sie werden gefürchtet haben, sie schneidet ihnen die Eier ab.«
    »Aber wegen Madame, Georges-Jacques – wenn sie ein Auge auf dich geworfen hat, dann könntest du doch … ich meine, du könntest wirklich. Wozu lang herumschmeicheln, ›Meine liebe Madame Roland, wir alle schätzen Ihre Talente über die Maßen‹ – warum lieferst du ihr nicht gleich den Beweis? Dann bringt sie womöglich ihre jungen Freunde auf Kurs mit unserem Kurs. Versuch es, Georges-Jacques – du rennst offene Türen ein. Dieser Tattergreis von Ehemann besorgt’s ihr bestimmt nicht richtig. Er sieht aus, als müsste er jeden Augenblick tot umfallen.«
    »Ich glaube, er ist schon seit Jahren tot«, sagte Camille. »Ich glaube, sie hat ihn einbalsamiert und ausgestopft, weil sie im Grunde ihres Herzens eine Romantikerin ist. Außerdem glaube ich, dass Brissots ganzes Kabinett im Sold des Hofes steht.«
    »Robespierre«, sagte Fabre mit vielsagendem Nicken.
    »Robespierre glaubt nichts dergleichen«, fauchte Camille.
    »Was fährst du denn gleich aus der Haut?«
    »Für Robespierre sind sie Narren, Gimpel, Verräter wider ihre Absicht. Ich glaube nicht, dass sie so harmlos sind. Ich glaube, wir sollten uns von ihnen fernhalten.«
    »Das müsste zumindest dir spielend gelingen. Dumouriez hat gefragt: ›Wo steckt denn Ihr kleiner Camille heute Abend, warum haben Sie ihn zu Hause gelassen, wenn er mit uns einen so spannenden Abend verleben könnte?‹ Worauf Madame ihren Busen wogen ließ und verachtungsvoll schnaufte.«
    »Ihr täuscht euch alle«, sagte Danton. Sie sahen, dass er ernst geworden war. »Ich rede jetzt nicht von Dumouriez und dem Rest, aber diese Frau lässt sich nicht kaufen. Diese Frau hasst Louis und Marie Antoinette, als hätten sie ihr persönlich bitterstes Unrecht getan.« Er lachte unfroh. »Denkt Marat, er hätte den Hass gepachtet?«
    »Das heißt, du traust ihnen?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Ich glaube nur nicht, dass sie falsch spielen. Weiter würde ich nicht gehen.«
    »Was glaubst du, was Dumouriez von dir wollte?«
    Die Frage sagte Danton sichtbar zu. »Dass ich etwas für ihn tue, nehme ich doch an. Er möchte meinen Preis in Erfahrung bringen.«

4. Die Taktik des Stiers
    (1792)
    GABRIELLE : Ich kann ja nur das sagen, was ich weiß, das, was mir andere Leute erzählt haben. Sicher kann ich mir nur bei den Leuten sein, die ich kenne, und allzu sicher auch bei ihnen nicht. Wenn ich auf den Sommer zurückblicke – was soll ich sagen, was nicht lächerlich naiv klingt?
    Man muss kein Mensch der eisernen Überzeugungen sein, wirklich nicht, um zu denken, dass es Dinge gibt, die sich nie ändern werden: Meinungen, die man immer vertreten wird, Abläufe, die immer die gleichen bleiben, eine Welt, die für einen da ist, solange man sie braucht. Was für ein Irrtum.
    Ich muss zurückgehen bis zu der Zeit, als unser neues Kind zur Welt kam. Die Geburt war leichter als bei den anderen beiden – schneller jedenfalls. Es war wieder ein Junge, gesund, munter, mit kräftiger Lunge und dem gleichen dichten dunklen Haarschopf, wie auch Antoine ihn hatte und mein Kleiner, der mir gestorben ist. Wir haben ihn François-Georges genannt. Mein Mann brachte mir immerfort Geschenke – Blumen und Porzellansachen, Schmuck und Spitze, Parfüms und Bücher, die ich nicht las. Und eines Tages brach

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