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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Père Duchesne einen seiner gewaltigen Zornesanfälle hat«, sagte einer der Männer, »wartet man nicht auf den Sonnenaufgang.«
    »Père Duchesne? Ah, verstehe. Sie meinen, Hébert wagt es nicht, direkt gegen Camille vorzugehen, deshalb schickt er Sie und Ihre Bagage, damit Sie Camilles Familie terrorisieren. Geben Sie mir die Papiere. Ich möchte den Haftbefehl sehen.«
    Sie griff nach den Papieren. Der Schriftführer wich zurück. Einer der Sansculotten packte ihren ausgestreckten Arm und zog ihr mit der anderen Hand das Umschlagtuch weg, sodass ihre Brüste halb entblößt waren. Sie nahm alle Kraft zusammen, entwand sich ihm und zog sich das Umschlagtuch bis zum Kinn hoch. Sie zitterte, allerdings – was die Männer hoffentlich merkten – weniger vor Angst als vor Zorn. »Sind Sie Duplessis?«, fragte der Schriftführer jetzt über ihre Schulter hinweg.
    Claude hatte sich in aller Eile ankleiden können. Er wirkte benommen, doch aus dem Zimmer hinter ihm drang leichter Brandgeruch. »Sie haben nach mir gefragt?« Seine Stimme bebte leicht.
    Der Schriftführer schwenkte den Haftbefehl. »Beeilen Sie sich. Wir können nicht ewig hier herumstehen. Diese Bürger wollen die Hausdurchsuchung hinter sich bringen, damit sie endlich zu ihrem Frühstück kommen.«
    »Das haben sie sich ja nun wahrlich auch verdient«, sagte Claude. »Schließlich haben sie eine beträchtliche Anstrengung unternommen, um einen friedlichen Haushalt aus dem Schlaf zu reißen und meine Frau und meine Bediensteten zu Tode zu erschrecken. Wo gedenken Sie mich hinzubringen?«
    »Packen Sie ein paar Sachen«, sagte der Schriftführer. »Aber flott.«
    Claude nickte ihm gemessen zu. Er drehte sich um.
    »Claude!«, rief Annette ihm nach. »Ich liebe dich, Claude, vergiss das nie!«
    Er blickte über die Schulter zu ihr zurück und nickte grimmig. Ein Chor von Anzüglichkeiten folgte ihm auf dem Weg zu seinem Zimmer, doch das Ablenkungsmanöver hatte seinen Zweck erfüllt, denn während sie noch spotteten und höhnten, schlug er die Tür zu, und sie hörte, wie sich der Schlüssel im Schloss drehte – und gleich darauf das Ächzen der Männer, die versuchten, die Tür einzudrücken.
    Sie wandte sich dem Schriftführer zu: »Wie heißen Sie?«
    »Das ist unwichtig.«
    »Das ist es zweifelsohne, aber ich werde es herausfinden. Und Sie werden büßen. Fangen Sie mit der Hausdurchsuchung an. Sie werden nichts von Interesse finden.«
    »Was sind das für Leute?«, hörte sie einen der Männer Elise fragen.
    »Gottlos, Monsieur, und sehr hochnäsig.«
    »Ist sie wirklich, na ja, mit Camille …?«
    »Das weiß doch jeder«, sagte Elise. »Sie schließen sich stundenlang zusammen ein. Angeblich lesen sie Zeitung.«
    »Und was unternimmt der Alte dagegen?«
    »Einen Dreck«, sagte Elise.
    Die Männer lachten. »Kann sein, dass wir dich noch einbestellen müssen«, sagte einer. »Um dich ein bisschen zu befragen. Ich wette, du hast ein paar hübsche Antworten auf Lager.« Er fingerte am Stoff ihres Nachthemdes herum, kniff sie in die Brustwarze. Sie stieß einen kleinen Schrei aus: gespieltes Entsetzen, gespielter Schmerz.
    Als hätten wir von beidem ganz real nicht mehr als genug, dachte Annette. Sie fasste den Schriftführer am Arm. »Bringen Sie Ihre Leute unter Kontrolle. Oder haben Sie auch eine Vollmacht zur Belästigung meiner Hausangestellten?«
    »Sie redet, als wär sie eine Schwester der Österreicherin«, bemerkte Jeannot.
    »Das ist ein Skandal, und Sie können gewiss sein, dass sich der Konvent noch heute damit befassen wird.«
    Jeannot spuckte Richtung Kamin, bewies jedoch erbärmliches Zielvermögen. »Anwaltspack«, sagte er. »Das soll die Revolution sein? Erst wenn die Scheißkerle alle tot sind.«
    »Wenn es so weitergeht«, sagte der Schriftführer, »wird das nicht mehr lange dauern.«
    Claude war wieder da, zwei Sansculotten auf den Fersen. Er hatte seinen Mantel angezogen und streifte nun, ganz geruhsam und graziös, seine neuen Handschuhe über. »Stell dir vor«, sagte er, »diese Männer haben mich beschuldigt, Papiere verbrannt zu haben. Und was noch abwegiger ist: Sie haben darauf bestanden, zwischen mir und dem Fenster Aufstellung zu nehmen. Unten vor dem Fenster steht ein Bürger mit einer Pike. Als würde ein Mann meines Alters durch das Flügelfenster im ersten Stock springen und sich so um das Vergnügen ihrer Gesellschaft bringen.« Einer der Männer fasste ihn am Arm. Claude schüttelte ihn ab. »Ich gehe allein«,

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