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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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sagte er. »Und jetzt gestatten Sie mir, mich von meiner Frau zu verabschieden.«
    Er nahm ihre Hand, führte ihre Fingerspitzen an seine Lippen. »Nicht weinen«, sagte er. »Nicht weinen, meine Annette. Sag Camille Bescheid.«
    Auf der anderen Straßenseite hielt eine glänzende neue Kutsche. Ein Augenpaar spähte hinaus, dann wurde vorsichtshalber das Rouleau heruntergezogen.
    »Ausgesprochen unerfreulich«, sagte Père Duchesne, der Ofensetzer. »Wir haben die falsche Nacht gewählt, oder sind wir dem falschen Gerücht gefolgt? Es gibt ja noch viele andere, genauso gute oder bessere Gerüchte. Es wäre das Frühaufstehen wert gewesen, Camille aus seinem bequemen, inzestuösen Bett zu zerren und zu sehen, ob er sich zu Gewalttätigkeiten hinreißen lässt. Ich hatte gehofft, wir könnten ihn wegen Ruhestörung festnehmen. Aber einen Schreck einjagen wird es ihm allemal. Hinter wem er sich wohl diesmal verstecken wird?«
     
    Eine Stunde später war Annette in der Rue Marat. »Die ganze Wohnung haben sie auseinandergenommen«, schloss sie empört. »Und Elise – sie lässt als Hausmädchen ja nun wirklich zu wünschen übrig, aber dass meine Bediensteten von irgendwelchen Rüpeln betatscht werden, ist absolut nicht hinnehmbar. Würdest du mir ein Glas Cognac holen, Lucile? Das kann ich jetzt gebrauchen.« Als ihre Tochter draußen war, flüsterte sie: »Oh, Camille, Camille. Claude ist durchs Haus gelaufen und hat Papiere verbrannt. Ich glaube, all deine Briefe sind in Rauch aufgegangen. Entweder das, oder der Sektionsausschuss hat sie.«
    »Verstehe«, sagte Camille. »Na ja, sie sind ja wohl einigermaßen züchtig.«
    »Aber ich brauche sie.« Tränen standen in ihren Augen. »Es ist schrecklich, sie nicht mehr zu haben.«
    Er fuhr ihr mit der Fingerspitze über die Wange. »Ich schreibe dir neue.«
    »Ich brauche aber die alten, genau die! Wie kann ich Claude fragen, ob er sie verbrannt hat? Wenn er sie verbrannt hat, muss er gewusst haben, wo ich sie aufbewahre und was für Briefe das waren. Glaubst du, er hat sie gelesen?«
    »Nein, Claude ist ein Ehrenmann. Im Gegensatz zu uns beiden.« Er lächelte. »Ich werde ihn fragen, Annette. Sobald wir ihn da rausgeholt haben.«
    »Du siehst ja geradezu fröhlich aus, Gatte.« Lucile war mit dem Cognac zurückgekommen.
    Annette blickte zu ihm auf. Stimmt, dachte sie. Er ist wirklich nicht unterzukriegen. Sie leerte ihren Cognac in einem Zug.
     
    Camilles Rede vor dem Konvent war kurz, gut vernehmlich und alarmierend. Hier und da wurde gemurmelt, die Verwandten von Politikern könnten genauso in Verdacht geraten wie jeder andere, doch die meisten Zuhörer schienen genau zu wissen, wovon er sprach, als er schilderte, wie man in das Haus der Duplessis eingedrungen war. Sie könnten sich glücklich schätzen, sagte er, wenn ihnen so etwas noch nicht passiert sei. Aber das könne sich jederzeit ändern.
    Die Abgeordneten ließen den Blick über die halbleeren Bänke schweifen und wussten, dass er recht hatte. Applaus erklang, als er das hemmungslose Wüten eines gewissen ehemaligen Theaterkartenverkäufers anprangerte, zustimmendes Gemurmel, als er das System beklagte, in dem ein so widerwärtiges Individuum gedeihen konnte. Als er ging, war Danton gerade aufgesprungen und forderte ein Ende der Verhaftungen.
    In den Tuilereien: »Meine Empfehlungen an Bürger Vadier – richten Sie ihm bitte aus, der Laternenanwalt sei da.« Vadier wurde von seinen Untergebenen aus einer Sitzung des Polizeiausschusses geholt. »Wenn Sie meine Zeitung verbieten, dann kriegen Sie mich persönlich«, sagte Camille freundlich lächelnd und schubste Vadier gegen die Wand.
    »Der Laternenanwalt!«, sagte Vadier. »Ich dachte, Sie bereuen das alles inzwischen?«
    »Nennen Sie es Nostalgie«, sagte Camille. »Nennen Sie es Gewohnheit. Nennen Sie es, wie Sie wollen, aber seien Sie sich darüber klar, dass Sie mich nicht loswerden, ehe Sie mir nicht ein paar Fragen beantwortet haben.«
    Vadier schaute verdrießlich drein und zog an seiner langen Inquisitorennase. Er schwor beim Haupt des Höchsten Wesens, dass er von der Sache nichts gewusst habe. Ja, gab er zu, es könne sein, dass die Sektionsbeamten außer Kontrolle geraten seien, ja, es sei möglich, dass Hébert aus persönlicher Bosheit so gehandelt habe, und nein, seines Wissens liege nichts gegen Claude Duplessis, Beamter im Ruhestand, vor. Er betrachtete Camille mit unverhohlener Abscheu und beträchtlicher Besorgnis. »Was ist Hébert

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