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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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er, werde ich auf dem Boden einschlafen, hier an Ort und Stelle, ich werde mich erkälten, und dann ist alles aus.
    Da hast du’s, sagte sein Körper. Du hättest mich nicht wie einen Sklaven behandeln, mich nicht so quälen sollen mit deinem Fasten, deiner Keuschheit und dem ständigen Schlafentzug. Was machst du jetzt? Sag doch deinem Verstand, er soll dich vom Boden hochheben, sag deinem Kopf, dass er dich morgen auf den Beinen halten soll.
    Er griff nach einem Stuhlbein, dann nach der Rückenlehne. Er sah zu, wie seine Hand über das Holz kroch, schlief schon halb. Seine Hand schien ihm unendlich fern. Er träumte vom Haus seines Großvaters. Wir haben keine Fässer für das frischgebraute Bier der kommenden Woche, sagte jemand. Sämtliches Holz wurde für den Bau von Gerüsten benötigt. Gerüsten oder Blutgerüsten? Besorgt tastete er in seiner Tasche nach einem Brief von Benjamin Franklin. In dem Brief stand: »Du bist ein elektrischer Apparat.«
    Beim ersten Tageslicht fand ihn Eléonore. Sie und ihr Vater hielten an der Tür Wache. Souberbielle kam um acht. Er sprach sehr langsam und deutlich, wie zu einem Gehörlosen: Ich kann die Folgen nicht verantworten, sagte er, ich kann die Folgen nicht verantworten. Er nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Souberbielle beugte sich hinunter, um sein Flüstern besser zu hören. »Soll ich mein Testament aufsetzen?«
    »Na, ich denke nicht«, sagte der Arzt fröhlich. »Haben Sie denn überhaupt viel zu vererben?«
    Er schüttelte den Kopf, ließ die Augenlider sinken, lächelte schwach.
    »Die haben nie wirklich etwas«, sagte Souberbielle. »Also, im Sinne von dieser oder jener Krankheit. Im September dachten wir, wir hätten Danton verloren. Aber so viele Jahre harter Arbeit und häufiger Angstattacken können selbst einen starken Mann ruinieren – und Bürger Robespierre ist nicht stark. Nein, natürlich stirbt er nicht. Das, was ihm fehlt, bringt niemanden um, es macht ihm nur das Leben noch schwerer. Wie lange? Er braucht Ruhe, um wirklich zu genesen, das ist das Entscheidende. Einen Monat, würde ich sagen. Wenn er dieses Zimmer früher wieder verlässt, übernehme ich keine Verantwortung.«
    Einige Mitglieder des Ausschusses kamen zu Besuch. Er brauchte einen Moment, um die einzelnen Gesichter zuzuordnen, doch er wusste sofort, dass es der Ausschuss war. »Wo ist Saint-Just?«, flüsterte er. Er hatte sich angewöhnt zu flüstern. Ringen Sie nicht um Luft, hatte der Arzt gesagt. Die Ausschussmitglieder schauten einander an.
    »Er hat es vergessen«, sagten sie. »Das haben Sie wohl vergessen«, sagten sie zu ihm. »Er ist an die Grenze gefahren. Er wird in zehn Tagen zurück sein.«
    »Couthon? Konnte man ihn nicht die Treppe hochtragen?«
    »Er ist krank«, antworteten sie. »Couthon ist auch krank.«
    »Liegt er im Sterben?«
    »Nein. Aber die Lähmung ist schlimmer geworden.«
    »Wird er morgen wieder da sein?«
    »Nein, morgen noch nicht.«
    Wer wird dann das Land regieren?, fragte er sich. Saint-Just. »Danton –«, sagte er. Nicht um Atem ringen. Wenn Sie nicht darum ringen, kommt der Atem, hatte der Arzt gesagt. Er hatte sich in seiner Panik die Hand auf die Brust gelegt. Diesen Rat konnte er nicht befolgen. Er widersprach seiner gesamten Lebenserfahrung.
    »Werden Sie Danton meinen Platz einnehmen lassen?«
    Sie schauten einander abermals an. Robert Lindet beugte sich über ihn. »Möchten Sie das?«
    Er schüttelte heftig den Kopf. Im Geiste hört er Dantons schleppende Stimme: »… widernatürliche Handlungen inmitten all der eidesstattlichen Versicherungen … Stellen Sie sich je die Frage, was Gott weggelassen hat?« Seine Augen suchten die des soliden Anwalts aus der Normandie, eines Mannes ohne Theorien, ohne Dünkel, eines Mannes, den die Masse nicht kannte. »Nicht dauerhaft«, sagte er. »Nicht um zu regieren. Keine vertu .«
    Lindets Miene war ausdruckslos.
    »Eine kleine Weile, und ihr seht mich nicht«, sagte Robespierre. »Und wieder eine kleine Weile, und ihr werdet mich sehen.«
    »Wohlbekannte Worte«, sagte Collot. »Er erinnert sich nicht daran, wo er sie her hat. Keine Sorge, wir haben nicht angenommen, dass es schon Zeit für Ihre Apotheose ist.«
    Lindet sagte sanft: »Ja, ja, ja.«
    Robespierre schaute zu Collot hoch. Er nutzt meine Schwäche aus, dachte er. »Bitte geben Sie mir ein Blatt«, flüsterte er. Er wollte sich etwas notieren: Sobald er wieder bei Kräften war, musste Collot in die Schranken gewiesen

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