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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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doch für ein Trottel«, murmelte er, während er davoneilte, »dass er Dantons Bande die Gelegenheit gibt, ihre Kraft zu erproben.«
    Robespierre kam auf Camilles dringendes Ersuchen blinzelnd und gedankenversunken aus einer Sitzung des Wohlfahrtsausschusses. Er eilte zu Camille, nahm seine Hände, diktierte einem Sekretär eiligst eine Flut von Weisungen und gab zu verstehen, dass er Père Duchesne in die Hölle wünsche. Den Anwesenden fiel sein Ton auf, seine Hast, vor allem aber der Händedruck. Rasch prägten sie sich seine Miene in diesem Moment ein, um später über sie nachzusinnen, sie zu interpretieren; und sofort begannen sich angesichts einer hochgezogenen Augenbraue, eines etwas länger als sonst erwiderten Blickes, des fragenden Zuckens eines Nasenflügels beim Wittern des politischen Windes unmerklich die Loyalitäten zu verschieben. Schon am Mittag war Héberts Miene nicht mehr ganz so selbstgefällig, ja im Geiste war er auf der Flucht und blieb es, auch als Claude Duplessis längst wieder freigelassen war: blieb es, bis er einige Wochen später am frühen Morgen selbst eine Patrouille hörte und feststellen musste, dass er keine Freunde hatte.
     
    Der neue Kalender funktionierte nicht. Im Nivôse schneite es nicht, und der Frühling begann deutlich vor dem Germinal. Unmäßig früh kam er, sodass sich alsbald die Blumenmädchen an den Straßenecken sammelten und die Näherinnen schon damit beschäftigt waren, schlichte pariotische Kleider für den Sommer ’94 zu nähen.
    Im Jardin du Luxembourg ließen die Bäume unzeitgemäße grüne Wimpel zwischen den Geschützgießereien flattern. Fabre d’Églantine beobachtete den Wechsel der Jahreszeiten durch das Fenster seiner Gefängniszelle in dem nationalen Gebäude, das einst das Palais du Luxembourg gewesen war. Das nasskalte, stürmisch-grelle Wetter verschlimmerte die Schmerzen in seiner Brust. Jeden Morgen betrachtete er sich in dem Spiegel, den er sich von zu Hause hatte bringen lassen, und stellte fest, dass sein Gesicht wieder schmaler geworden war und seine Augen verdächtig glänzten, ein Glanz, der nichts mit freudigen Aussichten zu tun hatte.
    Er erfuhr, dass Dantons Initiativen fruchtlos geblieben waren, dass Danton sich nicht mit Robespierre traf. Triff dich mit Robespierre, Danton, befahl er den Wänden seiner Zelle: drohe, bitte, täusche, fordere. Manchmal lag er wach und horchte, ob auf der Straße das Geschrei umherziehender Dantonisten zu vernehmen war, doch da war nur Stille. Camille und Robespierre vertragen sich wieder, erzählte ihm sein Wärter und fügte hinzu, er und seine Frau glaubten nicht, dass Camille ein Adliger sei, und Robespierre sei ein wahrer Freund der arbeitenden Bevölkerung, seine Gesundheit sei die einzige Garantie dafür, dass es weiterhin Zucker zu kaufen gebe und erschwingliches Feuerholz.
    Fabre ging im Geiste durch, was er alles für Camille getan hatte; viel war es nicht. Er ließ sich seine komplette Encyclopédie und sein kleines elfenbeinernes Teleskop kommen und richtete sich darauf ein, sich mit ihnen die Wartezeit bis zu seinem natürlichen oder unnatürlichen Tod zu vertreiben.
     
    Am 17. Pluviôse – es regnete nicht – sprach Robespierre zum Konvent, erläuterte die Grundlagen seiner künftigen Politik, seine Pläne für die Republik der Tugend. Als er den Saal verließ, erhob sich bestürztes Getuschel. Selbst in Anbetracht mehrerer Stunden auf der Rednertribüne wirkte er unmäßig müde; seine Lippen waren blutleer, die Augen eingesunken und von dunklen Ringen umgeben. Einige, die damals zugegen gewesen waren, erwähnten Mirabeaus Zusammenbruch. Doch zur nächsten Sitzung des Ausschusses erschien er pünktlich; sein Blick wanderte von Gesicht zu Gesicht, um zu überprüfen, wer enttäuscht war.
    Am 22. Pluviôse wachte er nachts auf und rang nach Luft. Als seine Panik etwas nachließ, zwang er sich an den Schreibtisch. Doch er hatte vergessen, was er schreiben wollte, und dann wurde er von Übelkeit überwältigt und sank auf alle viere. Du wirst nicht sterben, sagte er sich, während er mühsam versuchte, die Luft aus seiner Lunge auszustoßen, du wirst nicht, sagte er mit jedem angestrengten Atemzug, sterben. Du hast das früher schon überlebt.
    Als der Anfall vorbei war, befahl er sich aufzustehen. Nein, sagte sein Körper, du hast mich ans Ende gebracht, du hast mich ruiniert, ich weigere mich, so einem Herrn zu gehorchen.
    Sein Kopf sank nach unten. Wenn ich liegen bliebe, dachte

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