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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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und keine Aluchips, wie Ihre Bevölkerung die bei Ihnen umlaufende Währung zu bezeichnen pflegt, meine Herren! So hat Overdamm geredet, er wußte, wir waren zum Einlenken gezwungen, er kannte durchaus unsere Lage, der Joyce durfte nun wahrlich nicht länger geschoben werden, er mußte endlich kommen, es war so etwas wie ein kulturpolitisches Erfordernis, gerade nach der Sache mit dem Sänger, ein Zeichen, daß wir nicht blocken und zensieren, daß wir viel offener sind, als uns immer vorgeworfen wird …«
    »Ich verstehe nur eins nicht«, warf Willy ein, »wenn ihr damals klein beigegeben habt, warum seid ihr dann Overdamm gegenüber heute so ängstlich?«
    »Weil wir das Geld auf eine bestimmte Weise wieder reingeholt haben – wovon er aber dummerweise Wind bekam.«
    Jetzt war Willy doch um einiges davon entfernt, noch an die Dame zu denken, die in der Dunckerstraße auf ihn wartete. Neugierig rief er: »Auf eine bestimmte Weise reingeholt, das riecht aber verbrannt, Siggi …«
    Zeiller machte eine wegwerfende Handbewegung. »Es war legitim, sich das Geld, das er uns abgepreßt hat, irgendwie wiederzuholen, legitim vielleicht nicht im juristischen, aber im moralischen Sinne. Zumal ja alles der Bevölkerung zugute kam! Wir haben nämlich ein paar mehr Exemplare für sie drucken lassen, als mit Overdamm verabredet war. Plusauflage heißt das im Hausgebrauch, ist dir sicherlich ein Begriff.«
    Willy verneinte.
    »Aber wieviel Joyce ihr gedruckt habt, das weißt du schon noch, oder?«
    »15 000, wenn ich mich recht erinnere.«
    »Korrekt. 15 000, so lautete unsere Anweisung. 10 000 mehr, als im Vertrag mit ›Westenend‹ fixiert waren. Wir wissen bis heute nicht, wie Overdamm davon erfahren hat. Ein Leck irgendwo, vielleicht sogar in deinem Laden.«
    »Was heißt hier in meinem Laden«, sagte Willy. »In meinem Laden, um mal auf den Ursprung zurückzukommen, ist doch nicht betrogen worden! Du verbrämst es als Hilfe für die notleidende Bevölkerung, daß bei uns 10 000 Exemplare mehr rausgegangen sind, aber in Wahrheit ist es Betrug am Vertragspartner gewesen. Genaugenommen hast du mich auch betrogen, denn ich wußte nicht, daß bei 5000 Schluß sein sollte, ich höre davon hier und heute zum ersten Mal.«
    Willy hatte sich in Rage geredet und Zeillers Drohung nahezu vergessen; sie fiel ihm so richtig erst wieder ein, als er sah, wie zornig der die Lippen aufeinanderpreßte. Aber mehr tat Zeiller nicht. Scheint er wirklich arg in der Bredouille zu stecken, dachte Willy, nur – wovor genau hat er denn nun Angst? Das fragte er ihn.
    »Angst«, rief Zeiller erregt, »hör doch endlich auf mit deiner dämlichen Angst! Niemand hat hier Angst! Wir müssen einfach achtgeben. Overdamm braucht dem berüchtigten Blatt dort bei sich, diesen reaktionären Frakturschriftkriegern braucht er nur kurz was zu stecken, und schon stehen wir als hinterhältige Kriminelle da, und zwar vor aller Welt. Das ist die Dimension. Das ist die verdammte Gefahr. Deshalb noch einmal: größte Sorgfalt bei allem, was ›Westenend‹ angeht, bis in die Kleinigkeiten hinein, hast du das verstanden?«
    Willy nickte beinahe fröhlich, es war ja nicht schlecht, mal zu sehen, wie Zeiller das Flattern kriegte. Hatte der nicht eben noch mit Abberufung gedroht? Und jetzt erwies sich, daß er durchaus auch abhängig war von einem, nicht übel.
    Zeiller merkte auf. Dieser Willy nahm die Sache wohl nicht ernst genug, da sollte er ihm vielleicht noch ein Beispiel nennen. »Wenn ich von Kleinigkeiten rede, meine ich unter anderem die Anfahrtmakulatur. Egal, ob es sich um 100 oder um 150 Exemplare handelt …«
    »… es sind mehr in der Regel, 300 bis 500 …«
    »… um so wichtiger, daß du diese Exemplare ebenfalls an ›Westenend‹ auslieferst und nicht sonstwas damit anstellst.«
    »Als ob ich jemals was mit der Makulatur angestellt hätte. Die kommt zur Betriebsgewerkschaft, und die verkauft sie an die Werkangehörigen, von denen einige die Sachen lesen und andere mit ihnen handeln; was meinst du, wie viele private Büchersendungen aus Gerberstedt abgehen?«
    »Aber nicht mit ›Westenend‹-Texten«, forderte Zeiller, und wenn Willy genau hingehört hätte, wäre ihm aufgefallen, daß die Texte besser nicht unters Volk sollten, und vielleicht hätte er sich gefragt, ob es Zeiller nicht noch um etwas anderes ging als nur darum, Overdamm keine Angriffsfläche mehr zu bieten. Aber Willy hörte ja gerade nicht richtig hin, er hatte was anderes zu tun,

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