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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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»Doch nun endlich zur Sache! Das meiste ist ja bereits vereinbart, nur bat ich Sie um Papier- und Leinenproben. Ich muß das Material immer selbst in Augenschein nehmen; es zerstört mir die besten Inhalte, wenn es nicht das richtige ist. Also, lassen Sie sehen.«
    Willy ging gemessenen Schrittes zu dem vielleicht zwei Meter breiten Büroschrank hinter seinem Schreibtisch, ergriff den darin liegenden dünnen Stapel Papierbögen, hielt ihn mit leicht angewinkelten Armen, bewegte sich wie eine Hosteß, die bei Sportwettkämpfen mit den Medaillen vors Siegerpodest tritt, zu Overdamm hin und überreichte ihm den Stapel, jawohl, so unendlich sicher war sich Willy, das Gewünschte präsentieren zu können.
    Overdamm fuhr mit seinen kräftigen, behaarten Fingern zärtlich über das Papier. Sodann entnahm er dem Stapel vorsichtig einen Bogen und hielt ihn gegen das von der Decke strahlende Licht. Das Ergebnis der Prüfung schien ihn nachdenklich zu stimmen. Er griff, ein »Entschuldigung« ausstoßend, in seine Jackettasche und brachte ein grünes Fläschchen zum Vorschein. Er schraubte es auf, hielt nun eine Pipette in der Hand, betröpfelte den Papierbogen. Welcher sich dort, wo er naß geworden war, in Windeseile braun färbte.
    Overdamm schaute Willy traurig an und sagte: »Wir hatten doch holzfreies Papier vereinbart. Aber das hier«, er ließ den Bogen fallen, stieß ihn geradezu fort, als habe er Angst, sich die Finger zu verätzen, »das ist kein holzfreies Papier!«
    Nun nahm, sichtlich erstaunt, wieder Willy den Bogen in die Hände. Vielleicht zwanzig Sekunden hielt er ihn mal ins künstliche Licht, mal in Richtung des vagen Himmelsstreifs hinter seinem Fenster, dann entgegnete er: »Aber doch, aber doch, eindeutig handelt es sich um holzfreies Papier!«
    »Diese Substanz hier«, Overdamm hob sein Fläschchen hoch, »sagt mir etwas anderes – und diese Substanz lügt nie!«
    Willy fing an zu beben. »Wollen Sie damit sagen, ich lüge?«
    »Das will ich keineswegs. Ich will nur eines sagen: daß ich meinem Hilfsmittel vollkommen trauen darf.«
    »Und ich«, rief Willy erregt, »ich vertraue meiner Erfahrung, und ich sage Ihnen, dies hier«, er schlug mit der flachen Hand auf den Bogen, »ist holzfreies Papier – wie wir es im übrigen schon dann und wann verwendet haben.«
    Overdamm schüttelte ratlos den Kopf. Er zog einen weiteren Bogen hervor, diesmal aus der Mitte des Stapels, und betröpfelte ihn, mit dem gleichen bedauerlichen Ergebnis. »Es muß hier Holz enthalten sein, es muß!«
    »Natürlich ist da ein Holzanteil«, pflichtete Willy ihm überraschenderweise bei, »das hat ja auch niemand behauptet, daß da kein Holzanteil wäre.«
    Overdamm furchte seine Stirne zu einem Acker. »Wie bitte? Aber Herr Werchow! Sie haben doch die ganze Zeit darauf beharrt, es handele sich um holzfreies Papier. Wollen Sie das etwa leugnen?«
    »Wie käme ich dazu! Es gibt von meiner Seite aus nicht im mindesten was zu leugnen. Ich wiederhole, wir haben garantiert holzfreies Papier vor uns, mit einem gewissen Anteil Holz, genau wie es in den Normen festgelegt ist.«
    Overdamm starrte ihn entgeistert an. »Nur zur Vergewisserung, daß ich mich nicht verhört habe: Sie sprachen soeben von einem Anteil Holz in holzfreiem Papier. Das ist, mit Verlaub, ein Widerspruch, jedenfalls in meinen Augen.«
    »In meinen nicht. Ich wiederhole, es entspricht von A bis Z den festgelegten Normen.«
    Overdamm schüttelte abrupt den Kopf. »Von welchen Normen reden Sie?«
    »Von den technischen Normen, Gütevorschriften und Lieferbedingungen, kurz TGL.«
    »Das ist wohl das, was bei uns die DIN-Vorschriften sind«, überlegte Overdamm. »Aber sagen Sie: Wenn ich Sie recht verstehe, wird in Ihrer TGL holzhaltiges als holzfreies Papier deklariert … das, das ist hier so bei Ihnen, ja?«
    »Holzfreies Papier«, verbesserte Willy, »darf einen maximalen Holzgehalt von acht Prozent aufweisen.« Er sprang auf, lief noch einmal zu dem Büroschrank, kramte eine Broschüre heraus, blätterte hastig darin, legte sie, nicht ohne Triumph, aufgeschlagen vor Overdamm hin: »Hier, hier steht alles – falls Sie mir nicht glauben wollen.«
    Overdamm sah in das Heft und stieß ein »tatsächlich« aus, dem er ein »unglaublich, aber wahr« folgen ließ.
    »Akzeptieren Sie nun dieses Papier oder nicht?« fragte Willy, wobei er das Heft wieder einkassierte und im Schrank verstaute.
    »Hören Sie, ich will Ihnen persönlich nicht zu nahe treten, Herr Werchow,

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