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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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hinausgekommen. Matti legte erst einmal den Mantel ab. Dann schaute er sich um, und Catherine sagte, »es gibt hier nicht viel zu sehen«. Links stand die Tür zur Küche offen, von der noch eine Speisekammer abging. Catherine führte Matti nach rechts, da war das Wohnzimmer. Sie machte sich am Ofen zu schaffen, der halb in diesem Zimmer stand und halb in dem kleinen Schlafraum dahinter. »Ich war gerade beim Heizen, als du kamst«, sagte sie in den Ofen hinein. Ihr konzentriertes, von der Flamme erleuchtetes Gesicht erinnerte Matti an Gesichter auf den Bildern der alten flämischen Meister, die er in der Ermitage gesehen hatte, nur daß jene Antlitze auf den alten Leinwänden rissig waren und Catherines Züge samtig und glatt. Abermals zum Ofen hin erklärte sie: »Ich heize immer schon morgens, bevor ich in die Bibliothek gehe, aber es müssen billige Briketts sein, die ich hier habe, sie halten nicht lange. Wenn ich komme, ist das Feuer immer schon ganz runtergebrannt.«
    Erst jetzt spürte Matti, wie kalt es in der Wohnung war. Auf den hölzernen Fensterbänken lagen zu langen Würsten gerollte Decken.
    Catherine ging ins Bad, da war noch ein schmales Bad rechts von der Küche, eines mit einem mannshohen, auf drei gußeisernen Füßen stehenden Badeofen, der auch mit Kohle beheizt wurde, und wusch sich die Hände. Derweil warf Matti einen Blick in das kleine Zimmer. Im Halbdunkel funkelte die gegenüberliegende Wand karminrot und silbern, lauter Farbsplitter stachen ihm ins Auge. Er fand, es sehe gräßlich aus, es schmerzte ja regelrecht, und vor allem fand er, es passe überhaupt nicht zu Catherine. Ein Anflug von Angst machte sich breit, sie könne vielleicht anders sein, als er voraussetzte. Er trat zu der Wand und betastete sie, stach sich sogleich den Finger blutig, da hörte er hinter sich: »Himmel, Matti, was machst du denn, komm da bloß weg.« Fragend schaute er Catherine an.
    Sie klärte ihn auf: »Das sind mal Weihnachtsbaumkugeln gewesen. Sie fielen mir aus der Hand, eine volle Packung, die meisten waren gleich kaputt. Schade drum, dachte ich mir. Also zerstieß ich sie alle, zerkleinerte die Scherben noch, rührte sie in Farbe und Leim und bemalte damit die Wand. Es sollten nur Schimmer sichtbar sein, Fädchen wie in manchen edlen Stoffen, an die man erst nahe herantreten muß, um sie erkennen zu können. Aber das hier, das sieht ja so häßlich aus! Ich gehe nur noch mit geschlossenen Augen in das Zimmer hinein, seit es so verunstaltet ist … glaubst du nicht? Ist aber so. Ganz schnell muß das wieder weg. Ich bin bloß nicht dazu gekommen bisher.«
    »Und ich hatte schon an dir gezweifelt.«
    Catherine schüttelte lächelnd den Kopf, über ihre dämliche Idee, über Mattis Zweifel, wer weiß.
    »Und wenn wir es jetzt gleich wegmachen – was hältst du davon?« Er schaute sie begeistert an, mitgerissen von seiner eigenen Idee.
    Catherine hielt ihren Kopf still. »Jetzt sofort … du bist verrückt.«
    »Wir brauchen eine Bürste und warmes Wasser, und hast du vielleicht Spachtel?«
    Catherine schüttelte wieder den Kopf, ließ dabei Matti nicht aus den Augen, sie riß sich los endlich, rannte aus der Wohnung, die Treppen hinunter, er hörte es klingeln ein Stockwerk tiefer. Wenig später hielt sie ihm mit der Geste des kleinen Mädchens, das sie gewesen war, als sie sich kennengelernt hatten, die gewünschten Spachtel vor die Nase, einen maurerkellenbreiten und einen wasserwaageschmalen.
    Sie näßte mit der Bürste die Wand, mehrmals, bis die Wand ganz feucht war, derweil begann Matti schon zu spachteln. Nun half Catherine ihm. Wortlos bearbeiteten sie die grauenvolle Wand, manchmal innehaltend und sich kurz anblickend, dann schnell weiterkratzend. Einmal aber wollte Catherines Innehalten gar kein Ende nehmen, Matti bemerkte es genau. Er ließ seine Hand sinken und drehte sich zu ihr.
    »Wir tun hier etwas Unglaubliches, ist dir das eigentlich klar?« sagte sie
    Matti wußte, was sie meinte. Schon die ganze Zeit, da sie gemeinsam zugange gewesen waren, hatte er gedacht, wir haben uns noch nicht mal geküßt, aber wir fangen schon an, uns die Wohnung herzurichten, das ist verrückt. Er nickte.
    Er wollte noch sagen, das Verrückteste sei die Normalität, mit der alles geschehe, die traumwandlerische, zumindest ihm bislang unbekannte Sicherheit, in der sie sich befänden, da verschloß ihm Catherine mit ihrem Blick den Mund. Ein Blick voller Verwunderung und Genuß war das, und er wurde um so

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