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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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Verweis?« fragte Matti. »Habe ich etwa jemals was über sie erzählt? Nicht daß ich wüßte.«
    »Du hast mehr als einmal davon geschwärmt, wie toll diese Lehrerin ist, schon vergessen?«
    »Ach so … ja … ja.« Matti schwieg eine Weile, fragte plötzlich: »Dann ist sie also glücklich?«
    »Darüber kann ich mir kein Urteil erlauben. Ich bin ihr ja nie begegnet, ich habe immer nur mit Overdamm gesprochen. Und der, der ist glücklich mit ihr, soviel läßt sich sagen. Neulich erst erklärte er mir am Telefon, ungefragt übrigens, durch die Art, wie sie die Dinge sehe, habe sie sein Haus in kurzer Zeit schon unendlich bereichert. Er konnte sich nicht verkneifen, uns für hirnrissig, jawohl, das war seine Formulierung, für hirnrissig zu erklären, weil wir eine wie sie weggeekelt hätten. Was sollte ich da entgegnen? Er möge bitteschön nicht mich haftbar machen dafür, denn ein ›wir‹, das gebe es doch gar nicht. Was ihm vielleicht monolithisch erscheine, sei in Wirklichkeit zusammengesetzt aus recht unterschiedlichen und manchmal sogar auseinanderstrebenden Teilen … wie auch immer, von dieser Karin Werth schwärmt er im Grunde so wie du früher. Sie scheint wahrhaft eine beeindruckende …«
    Hastig wie jemand, der nun schon zuviel gehört hat, schnitt Matti ihm das Wort ab: »Ja, beeindruckend, doch laß uns nun mal wieder auf das Verschlossene Kind zurückkommen. Ich habe nämlich eine Bitte an dich, die dieses Manuskript betrifft. Ehrlich gesagt, liegt es jetzt nur deshalb hier auf dem Tisch. Könntest du es vielleicht mal jemandem aus einem Verlag zeigen? Du kennst doch die Leute dort. Du brauchst es auch nicht selber zu lesen.«
    »Oh, ich werde es lesen, mein Sohn, ich werde!«
    »Aber vielleicht kann es ja jemand lesen, der was davon versteht, ein Lektor?«
    »Nun«, sagte Willy mit wichtiger Miene, »das ist nicht so einfach, wie du dir denkst, denn ich habe ja immer nur mit den Herstellern zu tun. Aber diese Hersteller, die unterhalten natürlich Kontakte zu den Lektoren, es ließe sich also was machen.« Er dachte an Weitermann, und er dachte an Veronika, die am Apparat sein würde, wenn er Weitermann zu erreichen versuchte. Ein schales Gefühl stieg in ihm auf.
    »Du mußt nicht, wenn du nicht willst«, sagte Matti.
    »Warum sollte ich nicht wollen?«
    »Weil du unsicher bist, was dein Sohn da abgeliefert hat? Weil es vielleicht was Unbotmäßiges ist, für das du dich verwendest?«
    »Aber es ist doch keine heikle Sache? So wie du mir den Inhalt geschildert hast, scheint er mir gar nicht unbotmäßig zu sein. Ein rein historischer Stoff.«
    »Aber im Gewand der Zeitlosigkeit. Das heißt, man könnte ihn auch auf heute beziehen. Die Ehrlichkeit gebietet es, dir das zu sagen. Noch einmal, du mußt nicht, wenn du Skrupel hast …«
    Willy lachte bitter: »Das wäre die kleinste Schwierigkeit für mich, wirklich.«
    »Im Grunde hast du es auch nur deiner Tochter zu verdanken, daß ich dich jetzt belagere.«
    »Meiner Tochter? … Ah, Britta – inwiefern?«
    »Sie hat das Manuskript bisher als einzige gelesen, nun ja … und sie fand es großartig. Sie meinte, es müsse unbedingt veröffentlicht werden, und im selben Atemzug sagte sie, das solltest und könntest natürlich du bewerkstelligen, es sei der einfachste und naheliegendste Weg … na, du kennst sie ja.«
    Willy nickte lächelnd. Er spürte einen Anflug von Glück, weil ihm Matti und insbesondere Britta Vertrauen schenkten, und er nahm sich etwas für seine Verhältnisse Ungewöhnliches und sogar Heldenhaftes vor: Mattis Buch, er wollte es tatsächlich lesen, bevor er es weiterleiten würde.
    *
    Am Vormittag darauf fuhr Matti mit dem Zug zurück nach Berlin. Wieder hatte es über Nacht heftig geschneit, und nun lag so viel Schnee auf der Strecke, daß die Diesellok, als wäre sie ein riesiger Hobel, fortwährend Millionen helle Späne hochwirbelte. Wie glitzernde Schleier stoben sie zu beiden Seiten am Zug vorbei, lautlos flatternde Tücher, die mal an die Scheiben schlugen und mal von ihnen wegwehten, in jähen dichten Wellen.
    Matti saß, mit dem Gesicht zur Lok, am Fenster. Nach dem ersten Anfahren, beim plötzlichen Auftauchen dieser eisigen Wellen, war er instinktiv zur Waggonmitte hin gerückt, aber später hatte er seine flache Hand an das Fensterglas gehalten und Schläfe und Wange an die Hand gepreßt. Kühle lag auf seiner Stirn. Indessen pochte sein Herz kräftig. In seinem Magen summte es, und auch in seinem Hals.
    An

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