Brüder und Schwestern
Papier entgegen.
»Tatsächlich«, erklärte sie, nachdem sie gelesen hatte, »so dürre Worte … man enthält sich jeder Wertung, man sagt einfach ab. Wenn man es in Grund und Boden gestampft hätte, dann wüßtest du jetzt wenigstens, woran du bist …« Sie nahm Mattis Hand und fuhr damit an ihrer Wange entlang, als wolle sie ihm zeigen, daß sie schätze, was sie so alles geschrieben hatte, diese Hand.
Matti lächelte gequält.
»Du wolltest nicht traurig sein, wenn sie es nicht nehmen; du hast sogar erwartet, daß es so kommt, erinnere dich.«
»Das habe ich gesagt, ja.«
»Und nun bist du trotzdem traurig.«
»Das war auch meine Überzeugung, als ich’s gesagt habe. Ist doch nicht so wichtig, ob es veröffentlicht wird oder nicht. Darauf kam’s mir gar nicht an beim Schreiben. Aber jetzt, da sie es nicht wollen …«
»Jetzt willst du es?«
»Ja«, knurrte Matti, »jetzt gerade. Außerdem sagen doch alle, die den Text gelesen haben, daß er was wert ist – auch du.«
Catherine lachte auf. »Ich bin bis über beide Ohren verliebt, Matti, ich bin kein Maßstab. Du aber, du bist ein Trotzkopf.«
»Das ist kein Trotz. Es ist … eine seltsame Entwicklung. Je mehr Zeit nämlich seit dem Schreiben verstrichen ist, und je länger die Sache beim Verlag lag, je länger sie sozusagen schwelte, um so stärker identifizierte ich mich mit ihr. Vielleicht läßt das auch wieder nach. Vielleicht wird es mir egal, wenn nochmal ein bißchen Zeit vergangen ist, keine Ahnung. Und außerdem ist morgen auch noch Brittas Premiere.« Er schaute Catherine an, forderte sie auf zu fragen, wie er jetzt darauf käme.
Sie tat ihm den Gefallen: »Und Brittas Premiere hat was mit deinem Buch zu tun?«
»Mit meinem Text«, korrigierte Matti, »denn ein Buch wird es ja nun nicht.«
»Mit deinem Text.«
»Eigentlich nichts. Es war nur so, daß Britta die fixe Idee hatte, wir könnten eine gemeinsame Feier veranstalten, anläßlich ihrer Uraufführung und meiner Veröffentlichung. Es war wirklich nur ein Spleen. Die Chance, daß zeitlich beides zusammenträfe, war sowieso äußerst gering. Aber trotzdem. Jetzt, so kurz vor ihrem großen Tag, denke ich, es wäre schön gewesen.«
Catherine nickte. »Aber nun kann es doch auch schön werden! Wir werden uns eben auf Britta konzentrieren. Wir werden sie doppelt und dreifach feiern! Auf Händen werden wir sie tragen … in diesem Zusammenhang, weißt du eigentlich, daß sie auch Carla und Wiktor eingeladen hat?«
Jetzt brauchte Matti einen Moment, ehe er begriff, wovon Catherine auf einmal sprach. »Aber wieso denn das? Ich denke, Erik ist auf irgendeiner Messe?«
»Ja, aber Britta hat Carla trotzdem eingeladen.«
Matti zog wieder die Augenbrauen zusammen, da sagte Catherine: »Es gefällt dir nicht, daß sie auch kommen wird.«
»Verflixt nochmal, nein, du kennst sie ja noch nicht, aber ich – ich habe sie kennengelernt, und ich sage dir, sie gehört zu den Menschen, die ganz dumm sind vor lauter Eifer. Außer dem haben sie nichts. Wirklich dumm ist diese Carla, ob du’s glaubst oder nicht!«
»Doch, das glaub ich dir«, erwiderte Catherine, wobei sie kaum merklich ihren Oberkörper hin und her wiegte; sie war wohl von Unruhe ergriffen und versuchte, diese zu verbergen.
»Na siehst du«, brummte Matti.
Catherine sagte mit der größten, aber auch sanftesten Entschiedenheit: »Wenn sie dumm ist – dann sei du klug und laß es sie nicht spüren. Geh auf sie zu, wenigstens ein bißchen.«
Wieder brummte er etwas, aber nur einen Ton, kein Wort.
»Zumal deine Abneigung vielleicht auch gar nicht ihr selber gilt …« Catherine hielt ein, Catherine hatte wohl Angst, zu weit zu gehen.
»Sondern?« Er ahnte, worauf sie hinauswollte, aber ihm war das Thema unangenehm, so stellte er sich unwissend.
Catherine hob zu einer etwas wirren Vorrede an: »Eben die Absage des Verlages, und jetzt komme ich noch damit, in dieser Stimmung, in der du bist … hör mal: Alles soll ausgeglichen sein zwischen uns, nicht wahr? Mal sagt der eine dem anderen was, und mal umgekehrt. Nicht immer nur einer, das wäre ungesund …«
»Du mußt dich nicht entschuldigen«, unterbrach Matti sie. »Du willst in Wahrheit über meinen Bruder reden – also los!«
»Bitte, Matti, die ganze Sache liegt auch Britta auf der Seele, ich weiß das genau, sie hat mir oft ihr Leid geklagt über euch. Über ›die Brüder‹, wie sie meistens sagt. Sie fragt sich, wie man sich so verrennen kann. Sie ist ziemlich
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