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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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da sagte Peter Schott, er solle jetzt mal nicht so tun, und Matti lenkte auch gleich ein und erklärte, über die Gründe für die Veränderung müsse er aber erst selber nachdenken.
    Weiß wie Rettich war die Mondscheibe mittlerweile, und Peter Schott fragte, ob er noch zu Potte kommen werde, da fing Matti endlich an, sich zu erklären: »Wie war es früher, noch vor kurzem? Das Leben verlief in langen, ruhigen Bahnen, und daß es so verlief, liegt ja vielleicht schon an unserem Beruf. Es ist ein Beruf, der einen verleitet zu glauben, man bewege sich und komme voran, obwohl man doch eigentlich stillsteht. Alles zieht immer an einem vorbei, und man selber geht auch deshalb nicht weiter, weil man von der Bewegung, die ja wie gesagt eine fremde ist und gar nicht die eigene, eingelullt wird … das stimmt … so ist’s gewesen …«
    »Aber wennde ditt schon so siehst, dann issett doch jetz immer noch so«, warf Peter Schott ein, »nüscht daran hat sich verändert – nur weilde sagst, früher wäritt so jewesen.«
    »Doch, etwas hat sich verändert … erinnerst du dich noch, wie du mich vor langer Zeit mal gefragt hast, was ich immer so sitze und in die Gegend gucke? Ich erzählte, glaube ich, was von Selbsterfahrung, aber in Wahrheit, das ist mir jetzt bewußt, war es nichts als ein schweres, sozusagen triefendes romantisches Gefühl. Ich will das nicht im nachhinein schlechtmachen, aber was verbirgt sich hinter so einem Gefühl? Doch nur das Warten. Das endlose Warten auf Eine oder auf Etwas. Solange man wartet, begreift man natürlich nicht richtig, daß man wartet, dieses Bewußtsein fehlt … so … dann habe ich vor lauter Romantik dieses Buch zu schreiben begonnen, als reineweg Wartender, und das war zunächst auch nicht viel anders, als wenn ich Kahn führe, ich zog lange ruhige Bahnen wie immer, nur eben nicht auf dem Wasser, sondern auf dem Papier; nebenbei bemerkt glaube ich, daß man das meinem Stil anmerkt, aber vielleicht bilde ich es mir auch nur ein, denn nicht einmal Karin Werth scheint in dieser Hinsicht was aufgefallen zu sein … egal, wichtig ist nur, daß ich durch das Geschriebene ja dann unversehens ins Handeln geraten bin, in welches, kannst du mich gleich fragen, aber weißt du, was ich mich selber frage? Ob das folgerichtig oder zufällig gekommen ist. Folgerichtig, würde Karin Werth steif und fest behaupten, doch ich meine, man sollte da nicht so große Unterschiede machen. Alles Folgerichtige braucht den Klebstoff Zufall, um nicht an irgendeiner Stelle abzureißen und auseinanderzufallen. Damit ist natürlich noch nichts über den Zufall selber gesagt. Er ist absolut mystisch und wirkt entgegen einer weitverbreiteten Meinung genausogut pur, sogar immer tritt er einzeln und absichtslos in die Welt, immer, selbst wenn er als Teil einer Kette erscheint …«
    »Ick unterbreche dich unjern, aber du hast schon noch im Kopf, daßde mir begründen wolltest, wiesode nich mehr deine Anwandlungen krist?«
    »Darauf komme ich ja jetzt! Endlich bin ich also raus aus dem Warten, und genau das macht mich gelassener, oder nicht gelassener, das wäre nun auch wieder zuviel gesagt … geduldiger … geduldiger. Eigentlich ist es ganz einfach: Im Warten steigert der Mensch bloß seine Ungeduld und seine Unduldsamkeit, wohingegen er sie im Handeln wie nebenher dämpft. Es kommt ihm überhaupt nicht darauf an, geduldiger zu werden, aber er wird’s, einfach, indem er macht und tut … glaub’s nur, du guckst so, als glaubtest du’s mir nicht.«
    »Ick gloob dir allett, wirklich«, sagte Peter Schott, in einem Ton, der verriet, daß er etwas geschafft war ob Mattis langer Herleitung. Aber war da, mittendrin, nicht eine Frage gewesen, die Matti ihm gewissermaßen auf die Zunge gelegt hatte; er, Peter Schott, hatte doch seine sieben Sinne noch beieinander, wie lautete gleich die Frage?
    Ach ja – in welches Handeln Matti überhaupt geraten sei.
    Da erzählte Matti ihm ein bißchen, nur ein bißchen vom Kreis um den Anwalt, zu dem er jetzt gehörte, und als er hiermit fertig war, bemerkte der brave Peter, nun, solch ein Handeln mit genau solchen Forderungen gäbe es im Stadion des Fußballclubs Union ja schon recht lange und vor allem voll öffentlich, und Matti mußte lachen, weil er fand, das sei ein großartiger Witz, aber Peter Schott schaute so pikiert, wie wirklich nur ein unverstandener Unioner zu schauen imstande ist.

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