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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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wie jedesmal, wenn er diese Stelle passierte, das Ufer, weil etwas in ihm gern glauben wollte, dort rekele sich vielleicht doch die von Lehrling Zehner ersonnene Meerjungfrau, und etwas in ihm sich vergewissern mußte, daß es sie wirklich nicht gab.
    Und einen See querten sie, auf dem starr blickende Ruderer trainierten, umschwirrt von zwei blauen Motorbooten, in denen sich manchmal eine in Silastik geschweißte Gestalt erhob und etwas in ihre Flüstertüte brüllte, das man auf der »Barby« aber nicht verstehen konnte. Rudertrainer, dachte Matti: der einzige unwürdige Beruf hier auf dem Wasser, denn ob man Fischer war, oder Stegmacher, oder Fahrrinnenbaggerführer, man mußte beständig und hart zugreifen, um das Seinige zu tun; das einzige aber, wonach so ein Rudertrainer zu greifen hatte, war dieser Trichter, der, aus der Ferne gesehen, dem Kopf etwas Mißgebildetes gab, ein widerwärtiger Auswuchs war das, ein vorgestülpter Schlund, in dem noch das gewöhnlichste Wort mit einem rabenartigen Krähen und Krächzen behängt wurde. Theoretisch war Matti durchaus bewußt, daß diese Männer, denen er da und dort immer wieder begegnete, auch Trainingspläne erstellten und Wettkampfstrategien entwarfen, daß sie wahrscheinlich sogar eine spezielle Klugheit besaßen, aber so wie sie sich ihm hier auf dem Wasser zeigten, erschienen sie ihm wie Schinder und Schmarotzer, wie Nachfahren jener salz- und seelenverkrusteten Antreiber, die einstmals auf den Galeeren der Weltmeere zugange gewesen waren.
    Sie hatten den Abend erreicht, mitten in der Prärie machten sie fest. Matti setzte den kleinen Döpper, um auf dem Wasser zu kennzeichnen, wo der Anker lag; aber wieso Matti, war das nicht Peter Schotts Sache?
    Der hatte Wichtigeres zu tun in diesen nachkormoranischen Zeiten. Er kam mit einem langen, vorne offenen Kabel und einem Kupferring aus dem Steuerhaus, und mit ein bißchen Draht noch. Flink befestigte er damit den Ring am Kabel und ließ alles ins Wasser. Er hielt Matti wortlos den Kabelstecker hin, und Matti lief zum Generator, Strom floß nun in das, was auch ein Strom war, Peter Schott beugte sich über die Reling, in der einen Hand seinen Riesentauchsieder, in der anderen einen nicht minder imposanten Kescher; unverfroren war das, wenn man bedachte, daß von der Zentrale immer wieder Mahnungen an die Schiffsbesatzungen ergingen, diese hätten, bei Strafe schmerzhafter Gehaltsabzüge, jegliche Elektrofischerei zu unterlassen, aber bitte, niemand war hier zugegen, keine Menschen jedenfalls, nur Barsche, Schleie und, das war besonders erfreulich, auch ein paar mordsmäßige Zander. Zuckend flogen sie alle durch die Luft, ein bestimmter Impuls, dem die Tiere da unterlagen, so wie es ein Impuls war, daß Peter Schott seinen Kescher flink dahin und dorthin hielt, ja auch bei ihm handelte es sich um ein gehöriges Zucken.
    Dem trägen Lehrling, der nicht recht zu verstehen schien, warum derart viele Fische hochgehievt wurden, wie man doch auf der »Barby« niemals würde essen können, erklärte er: »Sollnwa die vielleicht tot im Wasser treim lassen? Die fang an zu stinken. Ditt sindwa dem Fluß schon schuldig, daßwa die rausholen.«
    In Wahrheit unterhielt er nach wie vor einen kleinen Frischfischhandel, welcher an den Schleusen abgewickelt wurde, die sie regelmäßig passierten.
    Die Zander, die briet er jetzt aber, und herrlich kroß briet er sie. Gegessen, ach was, gespeist wurde bei untergehender Sonne. Nachdem sie tief genug gesunken war, zeigte sich auch gleich der Halbmond, eine Apfelsinenscheibe war das in diesen Minuten, das blutige Orange an der Rundung ein wenig stärker ausgeprägt als an der Geraden; Matti und Peter Schott machten sich gegenseitig darauf aufmerksam und schauten eine Weile wortlos zu der Frucht und schlugen dann, als wollten sie sich ihre Ehrfurcht vor deren Schönheit bestätigen, die Biergläser aneinander, auch wieder lautlos, beinahe lautlos, so dämpfte das Leder, das um Peters Glas war.
    Jawohl, so verbrachte Matti den Sommer, gar nichts anderes tat er und gar keine anderen Leute traf er als in den Sommern zuvor, jedenfalls in den Zeiten, in denen er gebunden war auf dem Kahn.
    Peter Schott fiel nur auf, daß Matti so gut wie keine finsteren Anwandlungen gehabt hatte in letzter Zeit, und als die orange Scheibe dort oben langsam ausblich, fragte er, woher das eigentlich käme, Mattis neuerdings irgendwie gelasseneres Wesen.
    Er sei finster erschienen manchmal? fragte Matti zurück,

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