Brunetti 01 - Venezianisches Finale
geschrieben habe. Damals sprach ich, wenn ich mich recht erinnere, von ›raffinierter Symmetrie und sinnweisender Form‹.«
»Und gehst du so ins Büro?«, fragte Paola mit einem Blick auf sein Samtjackett.
»Wie herrlich giftig du immer noch sein kannst, Paola«, lachte er, beugte sich vor und küsste sie leicht auf die Wange. »Aber zu deiner Frage, mein Engel: Nein, ich halte es nicht für passend, solche Opulenz in die Hallen der arbeitenden Klasse zu tragen. Da hülle ich mich in angemesseneres Gewand, hauptsächlich eine schreckliche Hose, die der Mann meiner Zugehfrau nicht mehr anziehen würde und ein Jackett, das mein Neffe eigentlich in die Kleidersammlung geben wollte. Und«, er hielt die Hand hoch, um jede Unterbrechung oder Frage abzuwehren, »und ich fahre auch nicht mehr mit dem Maserati in die Redaktion. Ich fand, es würde ein falsches Klima schaffen, außerdem ist das Parken in Rom ein Problem. Eine Zeitlang habe ich es dadurch gelöst, dass ich mir den Fiat meiner Zugehfrau geborgt habe, um ins Büro zu fahren. Aber er war immer mit Strafzetteln zugepflastert und ich musste Stunden damit vertun, den Commissario zum Essen auszuführen, damit ich die Dinger wieder loswurde. Jetzt nehme ich einfach ein Taxi und lasse mich an der Ecke vor dem Büro absetzen, wo ich dann meinen wöchentlichen Artikel abliefere, mich lauthals über soziale Ungerechtigkeit empöre, um mir anschließend in einer schnuckeligen kleinen Pasticceria in der Nähe ein unverschämt dickes Stück Torte zu leisten, bevor ich nach Hause gehe, mich in ein heißes Bad lege und Proust lese. ›Und beiderseits verbirgt sich wahrer Sinn‹«, zitierte er aus einem Shakespeare-Sonett, einem der Texte, mit denen er sich während seines Studiums der englischen Literatur in Oxford befasst hatte. »Aber du willst doch etwas von mir, liebste Paola, irgendwelche Informationen«, sagte er mit einer Direktheit, die nicht zu ihm passte, oder zumindest nicht zu der Rolle, die er spielte. »Erst ruft mich dein Vater persönlich an, um mich zu dieser Party einzuladen, dann hängst du dich an mich wie eine Klette - und ich bezweifle, dass du das tun würdest, wenn du nicht etwas von mir wolltest. Und da der göttliche Guido bei dir ist, kann es sich wohl nur um Informationen handeln. Und da ich weiß, womit dein Guido seinen Lebensunterhalt verdient, kann ich nur annehmen, dass es mit dem Skandal zusammenhängt, der unsere liebliche Stadt erschüttert, der Musikwelt die Sprache verschlagen und gleichzeitig ein Ekelpaket vom Angesicht dieses Planeten getilgt hat.« Damit hatte er erreicht, was er wollte: er konnte sich am Anblick zweier völlig verblüffter Gesichter weiden. Er schlug sich die Hand vor den Mund und kicherte vergnügt.
»Oh, Dami, du hast es die ganze Zeit über gewusst. Warum hast du nichts gesagt?«
Brunetti sah, dass Padovanis Augen glänzten, vielleicht vom Alkohol, vielleicht von etwas anderem. Wovon, war ihm egal, solange der Mann seine letzte Bemerkung erklärte.
»Komm schon«, drängte Paola. »Von allen Leuten, die ich kenne, bist du der einzige, der garantiert etwas über ihn weiß.«
Padovani sah sie unbewegt an. »Und du erwartest von mir, dass ich das Andenken eines Mannes beschmutze, der noch kaum in seinem Grab erkaltet ist?«
Brunetti konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es für Padovani durchaus ein weiterer Spaß sein könnte.
»Ich staune, dass du so lange gewartet hast«, sagte Paola.
Padovani schenkte ihrer Bemerkung die Beachtung, die sie verdiente. »Du hast Recht, Paola. Ich werde euch alles erzählen, sobald dein lieber Guido uns drei Riesendrinks beschafft hat. Wenn er das nicht bald tut, könnte ich langsam anfangen, mich über die vorhersehbare Langeweile zu ärgern, der deine Eltern mich wieder einmal ausgesetzt haben, zusammen mit - wie ich zu meinem Erstaunen feststelle - der Hälfte derer, die als berühmteste Leute dieser Stadt gelten.« Und zu Brunetti gewandt: »Oder noch besser, Guido, wenn du vielleicht eine ganze Flasche besorgst, dann könnten wir drei uns davonstehlen, in eines der vielen geschmacklos eingerichteten Zimmer, von denen es in diesem Haus weiß Gott genug gibt.« Aber er war noch nicht fertig und wandte sich wieder an Paola. »Da könntet ihr dann, du mit den Waffen deiner Schönheit und dein Mann mit seinen unsäglichen Polizeimethoden, gemeinsam die hässliche, schmutzige Wahrheit in allen Einzelheiten aus mir herausquetschen. Und falls Interesse besteht,
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