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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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stieß sich von der Bar ab und stürzte sich ins Gewühl, um selbst nach Paola zu suchen. Viele der Anwesenden waren ihm bekannt, aber eher aus zweiter Hand. Auch wenn er ihnen nie vorgestellt worden war, kannte er doch ihre Skandale, ihre Geschichten und ihre Affären, rechtliche wie romantische. Teils hing das mit seinem Beruf als Polizist zusammen, hauptsächlich aber damit, dass sie eigentlich in einer Provinzstadt wohnten, in der Klatsch der wahre Kult war und in der die herrschende Gottheit, hätte es sich nicht wenigstens dem Namen nach um eine christliche Stadt gehandelt, sicher ›Gerücht‹ geheißen hätte.
    Auf der Suche nach Paola begrüßte er einige Bekannte und lehnte verschiedene Angebote ab, sich einen neuen Drink holen zu lassen. Die Contessa war nirgends zu sehen; zweifellos hatte der Conte sie vor der Ansteckungsgefahr für ihre Moral gewarnt, die hier umging.
    Als Paola schließlich zu ihm trat, nahm sie seinen Arm und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich habe genau das gefunden, was du suchst.«
    »Eine Möglichkeit zur Flucht?«, fragte er, allerdings nicht laut. Ihr gegenüber hielt er sich zurück. »Was denn?«
    »Die wandelnde Klatschkolumne. Wir waren zusammen auf der Universität.«
    »Wer? Wo?«, wollte er wissen und zeigte zum ersten Mal an diesem Abend Interesse an seiner Umgebung.
    »Da drüben, an der Tür zum Balkon.« Sie drückte ihm ihren Ellbogen in die Seite und deutete mit dem Kinn auf einen Mann, der an dem großen Fenster stand, das auf den Kanal hinausging. Der Mann war etwa in Paolas Alter, hatte aber ganz offensichtlich einen schwereren Weg dahin gehabt. Aus dieser Entfernung konnte Brunetti nur einen kurz gestutzten graumelierten Bart und ein schwarzes Jackett ausmachen, das offenbar aus Samt war.
    »Komm, ich mache euch bekannt«, drängte Paola, zupfte an seinem Ärmel und führte ihn zu dem anderen Mann, der lächelte, als er sie auf sich zu kommen sah. Seine Nase war platt, als sei sie einmal gebrochen gewesen, sein trauriger Blick sprach von einem gebrochenen Herzen. Er wirkte wie ein Möbelpacker, der Lyrik schreibt.
    »Ah, die bezaubernde Paola«, sagte er, als sie zu ihm traten. Er nahm sein Glas in die linke Hand, ergriff mit der rechten Paolas und beugte sich darüber, um einen Kuss in die Luft zu hauchen. »Und das«, sagte er zu Brunetti gewandt, »muss wohl der berühmte Guido sein, dessen Namen wir alle nicht mehr hören konnten damals, vor mehr Jahren, als ich diskreterweise erwähnen sollte.« Er nahm Brunettis Hand und schüttelte sie energisch, wobei er gar nicht erst versuchte, die Neugier zu verbergen, mit der er ihn musterte.
    »Hör auf, Dami und starr Guido nicht an, als sei er ein Gemälde.«
    »Macht der Gewohnheit, Schätzchen, ich muss mir eben alles genau ansehen. Als nächstes werde ich wahrscheinlich seine Jacke aufmachen und versuchen herauszukriegen, wo er signiert ist.«
    Brunetti verstand überhaupt nichts und seine Verwirrung war ihm offenbar so deutlich anzumerken, dass der andere sich beeilte zu erklären: »Ich sehe schon, Paola wird uns nie mehr vorstellen und unsere gemeinsame Vergangenheit hat sie ganz offensichtlich vor dir geheim gehalten.« Bevor Brunetti auf die Anspielung etwas sagen konnte, fuhr er fort: »Ich bin Demetriano Padovani, ehemaliger Kommilitone deiner schönen Gemahlin und derzeit als Kritiker in Sachen Kunst tätig.« Er verbeugte sich leicht.
    Brunetti kannte den Namen, wie die meisten Italiener. Dies war also der strahlende neue Kunstkritiker und Schrecken von Malern und Museumsdirektoren. Paola und er hatten gemeinsam und mit Vergnügen seine Artikel gelesen, aber er hatte keine Ahnung gehabt, dass die beiden zusammen auf der Universität gewesen waren.
    Padovani griff sich vom Tablett eines vorbeigehenden Obers einen neuen Drink und redete weiter: »Ich muss mich bei dir entschuldigen, Guido - wenn ich mir erlauben darf, gleich bei unserem ersten Treffen Guido und du zu sagen, Beweis für die wachsende soziale und linguistische Promiskuität - und bekenne, dass ich dich jahrelang gehasst habe.« Brunettis Verwirrung über diese Bemerkung machte ihm sichtlich Spaß. »Damals, in jenen dunklen Jahren, als wir Studenten und allesamt schrecklich verliebt in deine Paola waren, hat uns die Eifersucht und, ich gebe es zu, der Hass auf diesen Guido zerfressen, der aus dem Nichts auftauchte und uns ihr Herz stahl. Erst wollte sie wissen, wer er war, dann kam das: ›Ob er mich wohl zu einem Kaffee einlädt?‹, aus dem

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