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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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blickte aus dem hinteren Fenster des Wagens und sah, daß sie schräg gegenüber einer von zwei Ladenfronten gebildeten Ecke standen. Über einer Glastür las er: FOOD MALL. Mall, war das nicht, was Löwen mit ihrer Beute machten? Auf dem anderen Schild stand BASKIN-ROBBINS. Nicht im mindesten optimistisch fragte Brunetti: »Kaffee?«
    Der Fahrer deutete mit dem Kopf zu der zweiten Tür. Offenbar wollte er, daß Brunetti ausstieg. Als er das tat, lehnte der Fahrer sich über den Beifahrersitz und sagte: »Ich komme in zehn Minuten wieder«, worauf er die Tür zuzog, abrupt anfuhr und Brunetti, der sich seltsam verloren und fremd vorkam, am Randstein stehenließ. Rechts von der zweiten Tür sah er jetzt ein Schild: CAPUCHINO BAR. Der Schilderschreiber war eindeutig Amerikaner.
    Drinnen bestellte er bei der Frau hinter dem Tresen einen Kaffee, und weil er wußte, daß er sein Mittagessen abschreiben konnte, gleich noch eine Brioche. Was er bekam, sah aus wie Gebäck, fühlte sich an wie Gebäck, schmeckte aber wie Pappe. Er legte drei Tausendlirescheine auf den Tresen. Die Frau sah die Scheine an, sah ihn an, nahm das Geld und legte dann die gleichen Münzen auf den Tresen, die er in der Tasche des toten jungen Mannes gefunden hatte. Einen Moment überlegte Brunetti, ob sie ihm womöglich ein heimliches Zeichen geben wollte, aber ein genauerer Blick in ihr Gesicht sagte ihm, daß sie ihm lediglich das richtige Wechselgeld herausgab.
    Er ging nach draußen und begnügte sich damit, die Atmosphäre dieses Ortes auf sich wirken zu lassen, während er auf die Rückkehr seines Fahrers wartete. Er setzte sich auf eine Bank vor den Geschäften und beobachtete die Vorbeigehenden. Einige sahen kurz zu dem Mann hin, der dort in Anzug und Krawatte saß und so eindeutig nicht zu ihnen gehörte. Viele waren in Uniform, ob Männer oder Frauen. Die meisten anderen trugen Shorts und Tennisschuhe, und viele Frauen, allzuoft solche, die es nicht hätten tun sollen, rückenfreie Oberteile. Sie schienen entweder für den Krieg oder für den Strand ausstaffiert. Die meisten Männer wirkten fit und kräftig, viele der Frauen waren unglaublich, ja erschreckend fett.
    Autos fuhren langsam vorbei, deren Fahrer nach Parkplätzen Ausschau hielten: große Wagen, japanische Wagen, Wagen mit dem AFI-Nummernschild. Die meisten hatten die Fenster geschlossen, und aus dem klimatisierten Inneren dröhnte Rock-Musik in unterschiedlicher Lautstärke.
    Sie schlenderten vorbei, begrüßten sich gegenseitig und tauschten Nettigkeiten aus, so recht zu Hause in ihrer kleinen amerikanischen Stadt hier in Italien.
    Zehn Minuten später kam sein Fahrer und hielt neben ihm. Brunetti stieg auf den Rücksitz. »Wollen Sie jetzt zu dieser Adresse fahren, Commissario?« fragte der Fahrer.
    »Ja«, sagte Brunetti, etwas amerikamüde.
    Schneller als die anderen Wagen auf dem Stützpunkt fuhren sie aufs Tor zu und nach draußen. Dann bogen sie rechts ab in Richtung Stadt, wieder über die Eisenbahnbrücke. An deren Ende ging es nach links, dann wieder nach rechts, bis der Wagen vor einem mehrgeschossigen Gebäude hielt, das etwas von der Straße zurückversetzt war. Gegenüber dem Eingang stand ein dunkelgrüner Jeep, auf dessen Vordersitz zwei Soldaten in amerikanischer Uniform saßen. Brunetti ging zu ihnen hin. Einer der beiden stieg aus. »Ich bin Commissario Brunetti aus Venedig«, stellte er sich vor, diesmal wieder mit seinem richtigen Dienstgrad. »Major Butterworth schickt mich, Fosters Wohnung anzusehen.« Vielleicht nicht ganz die Wahrheit, aber im weiteren Sinne schon.
    Der Soldat deutete so etwas wie einen Salut an, griff in die Tasche und gab Brunetti ein Schlüsselbund. »Der rote ist für die Eingangstür, Sir«, sagte er. »Apartment 3B im dritten Stock. Der Fahrstuhl ist rechts, wenn Sie reinkommen.«
    Drinnen nahm Brunetti den Fahrstuhl, in dessen Enge er sich eingeschlossen und unbehaglich fühlte. Die Tür zu 3B lag direkt gegenüber dem Fahrstuhl und ließ sich mit dem Schlüssel leicht öffnen.
    Er ging hinein und bemerkte als erstes den üblichen Marmorfußboden. Von einem Flur gingen Türen ab, die letzte stand halb offen. Rechts war das Bad, links eine kleine Küche, beide Räume waren sauber und aufgeräumt. In der Küche fiel ihm ein überdimensionaler Kühlschrank und ein Herd mit vier Platten auf, neben dem eine ebenso riesige Waschmaschine stand. Beide Elektrogeräte waren an einen Transformator angeschlossen, der die in Italien üblichen

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