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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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seine Uhr. »In zwanzig Minuten? Nein, ich selbst kann leider nicht mitkommen, Major, ich muß zu einer Konferenz. Ja, vielen Dank.« Er legte auf, plazierte seinen Stift genau diagonal auf dem Ordner und sagte: »Er wird Sie in zwanzig Minuten empfangen.«
    »Und Ihre Konferenz?« fragte Brunetti.
    Ambrogiani machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das wird die reine Zeitverschwendung. Wenn die etwas wissen, sagen sie es einem nicht, und wenn sie nichts wissen, können sie einem nichts sagen. Also, warum sollte ich meine Zeit damit verschwenden hinzugehen?« Er wechselte das Thema und fragte: »Wie steht's mit Ihrem Englisch?«
    »In Ordnung.«
    »Gut. Das macht es einfacher.«
    »Wer ist dieser Major?«
    Ambrogiani wiederholte den Namen, wobei er mit elegantem Schwung über alle harten Konsonanten hinwegglitt. »Er ist ihr Verbindungsoffizier. Er ›verbindungt‹ zwischen ihnen und uns.« Beide grinsten darüber, wie Ambrogiani sich über die amerikanische Art lustig machte, Substantive einfach in Verben zu verwandeln. Die italienische Sprache ließ so etwas nicht zu.
    »Und worin besteht dieses ›verbindungen‹?«
    »Wenn wir Probleme haben, kommt er zu uns, und wenn sie Probleme haben, zu ihnen.«
    »Was für Probleme?«
    »Zum Beispiel, wenn jemand versucht, ohne ordnungsgemäßen Ausweis durchs Tor zu kommen. Oder wenn wir gegen ihre Verkehrsregeln verstoßen. Oder wenn sie einen Carabiniere fragen, warum er zehn Kilo Rindfleisch in ihrem Supermarkt kauft.«
    »Supermarkt?« fragte Brunetti, ehrlich überrascht.
    »Ja, Supermarkt. Und Bowlingbahn und Kino und sogar ein Burger King.« Das letzte sagte er ohne eine Spur von Akzent.
    Fasziniert wiederholte Brunetti die Worte »Burger King« im gleichen Ton, in dem ein Kind vielleicht »Pony« sagen würde, wenn es eines versprochen bekäme.
    Ambrogiani lachte. »Bemerkenswert, nicht? Das ist eine ganz eigene kleine Welt hier, die nichts mit Italien zu tun hat.« Er wies mit der Hand aus dem Fenster. »Da draußen liegt Amerika, Commissario. Ich glaube, so werden wir alle irgendwann.« Nach einer kurzen Pause wiederholte er: »Amerika.«
    Genau das erwartete Brunetti eine Viertelstunde später, als er die Türen zum Hauptquartier des NATO-Kommandos aufstieß und die drei Stufen in die Halle hinaufging. An der Wand hingen Poster von namenlosen Städten, die, nach der Höhe und Gleichförmigkeit ihrer Wolkenkratzer zu schließen, in Amerika liegen mußten. Ebenso eindeutig tat sich diese Nation in den vielen Schildern kund, die das Rauchen verboten, und in den vielen Notizen an den schwarzen Brettern entlang der Wände. Der Marmorboden war die einzige italienische Note. Wie angewiesen, stieg Brunetti die Treppe hinauf, wandte sich oben nach rechts und trat in das zweite Büro auf der linken Seite. Der Raum, den er vor sich hatte, war durch mannshohe Stellwände unterteilt, und überall hingen, wie einen Stock tiefer auch, Anschlagtafeln und Schilder. In einer Ecke standen zwei Sessel, dem Anschein nach mit dickem grauem Plastik bezogen. Gleich neben der Tür saß an einem Schreibtisch eine junge Frau, die nur Amerikanerin sein konnte. Ihr blondes, über den grünen Augen kurzgeschnittenes Haar reichte ihr den Rücken hinunter bis zur Taille. Quer über ihre Nase tanzten Sommersprossen, und ihre Zähne waren so ebenmäßig wie bei den meisten Amerikanern und nur den reichsten Italienern. Sie wandte sich ihm mit einem strahlenden Lächeln zu; ihr Mund bog sich in den Winkeln nach oben, aber ihre Augen blieben seltsam ausdruckslos.
    »Guten Morgen«, sagte er, wobei er das Lächeln erwiderte. »Mein Name ist Brunetti. Ich glaube, Ihr Major erwartet mich.«
    Sie kam hinter ihrem Schreibtisch hervor, wobei sich ihr Körper als ebenso perfekt erwies wie ihre Zähne, und ging durch eine Öffnung zwischen den Stellwänden, obwohl sie ebensogut hätte telefonieren oder hinüberrufen können. Von der anderen Seite hörte er, wie eine tiefere Stimme der ihren antwortete. Nach ein paar Sekunden erschien sie in der Öffnung und winkte Brunetti. »Hier herein bitte, Sir.«
    Hinter dem Schreibtisch saß ein blonder junger Mann, der kaum über zwanzig zu sein schien. Brunetti sah ihn an und schaute ebenso schnell wieder weg, denn der Mann schien zu leuchten, zu strahlen. Als er dann wieder hinsah, merkte Brunetti, daß es keine Strahlung war, sondern nur Jugend, Gesundheit und gute Uniformpflege, die jemand anders ihm abnahm.
    »Chief Brunetti?« sagte er und erhob sich. Er

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