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Brunetti 05 - Acqua alta

Brunetti 05 - Acqua alta

Titel: Brunetti 05 - Acqua alta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Treppenhaus. Einen Augenblick dachte sie, es könnten die beiden Männer sein, die zurückkamen, um zu Ende zu führen, was immer sie hatten tun wollen. Sie stand auf und ging zur Tür, die sie rechtzeitig zuwerfen zu können hoffte, aber dann sah sie Lucas Gesicht und hinter ihm einen Mann in Weiß mit einer schwarzen Tasche in der Hand.
    »Gott sei Dank«, sagte sie, und es überraschte sie selbst, daß sie das wörtlich meinte. Hinter ihr verstummte die Musik. Elvira war endlich wieder mit ihrem Arturo vereint, und die Oper war zu Ende.

2
    Flavia trat zur Seite und ließ die beiden Männer eintreten. »Was ist denn los? Was ist passiert?« fragte Luca mit einem Blick auf den Deckenberg und das, was darunter lag. »Mio dio«, entfuhr es ihm, und er wollte sich zu Brett hinunterbeugen, aber Flavia hielt ihn mit ausgestrecktem Arm zurück und zog ihn beiseite, damit der Arzt an die am Boden liegende Frau herankonnte.
    Er bückte sich und legte ihr die Hand an den Hals. Als er den Puls fühlte, langsam, aber kräftig, schlug er die Decken zurück. Ihr Pullover hatte sich, ein blutiger Strick, unter ihrem Hals zusammengeschoben, so daß Rippen und Oberkörper entblößt waren. Die Haut war gerötet und an einigen Stellen aufgeplatzt und begann sich zu verfärben.
    »Signora, können Sie mich hören?« fragte der Arzt.
    Brett gab einen Laut von sich; Worte waren noch zu schwierig.
    »Signora, ich werde Sie jetzt umdrehen. Nur ein wenig, damit ich etwas sehen kann.« Er gab Flavia ein Zeichen, die sich auf der anderen Seite der reglosen Gestalt hinkniete. »Halten Sie die Schultern fest. Ich muß ihre Beine strecken, damit ich sehe, was los ist.« Er faßte Bretts linkes Bein an der Wade und legte es ausgestreckt vorsichtig hin, dann tat er dasselbe mit dem rechten. Langsam drehte er sie auf den Rücken, und Flavia ließ gleichzeitig die Schultern auf den Boden sinken. Das alles bereitete Brett nur neuen Schmerz, und sie stöhnte.
    Der Arzt wandte sich wieder an Flavia: »Holen Sie mir eine Schere.« Gehorsam ging Flavia in die Küche und nahm eine Schere aus einem großen geblümten Keramiktopf auf dem Tresen. Dabei merkte sie, wie es ihr heiß aus der Pfanne mit Olivenöl entgegenschlug, die zischelnd und brodelnd immer noch auf dem Herd stand. Rasch drehte sie die Flamme aus und lief in die Diele zurück.
    Der Arzt nahm die Schere, zerschnitt den blutgetränkten Pullover und pellte ihn vorsichtig von Bretts Körper. Der Schläger hatte einen dicken Ring an der rechten Hand getragen und damit Spuren hinterlassen, kleine runde Abdrücke, die sich dunkel von dem graublauen Fleisch ringsum abhoben.
    Der Arzt beugte sich wieder über die Liegende und sagte: »Machen Sie bitte die Augen auf, Signora.«
    Brett bemühte sich zu gehorchen, aber sie bekam nur das eine auf. Der Arzt nahm eine kleine Taschenlampe aus seiner Tasche und richtete den Strahl auf ihre Pupille. Sie zog sich zusammen, und Brett schloß unwillkürlich das Auge.
    »Gut, gut«, sagte der Arzt. »Jetzt möchte ich, daß Sie den Kopf etwas bewegen, nur ein ganz klein wenig.«
    Obwohl es sie sichtlich anstrengte, schaffte Brett es.
    »Und nun den Mund. Können Sie ihn öffnen?«
    Als sie es versuchte, japste sie vor Schmerz, ein Laut, bei dem Flavia sich gegen die Wand lehnen mußte.
    »Jetzt werde ich Ihre Rippen abtasten, Signora. Sagen Sie mir bitte, wenn es weh tut.« Behutsam befühlte er, eine nach der anderen, ihre Rippen. Zweimal stöhnte sie auf.
    Er nahm ein Päckchen sterilen Mull aus seiner Tasche und riß es auf. Aus einer Flasche mit Antiseptikum befeuchtete er den Mull und begann langsam das Blut von ihrem Gesicht zu wischen. Sobald er es weggetupft hatte, quoll neues aus ihrer Nase und der klaffenden Wunde an ihrer Unterlippe. Er winkte Flavia zu sich, die sich wieder neben ihn kniete. »Hier, drücken Sie ihr das auf die Lippe, und lassen Sie nicht zu, daß sie sich bewegt.« Damit gab er Flavia den blutigen Mulltupfer, und sie tat wie geheißen.
    »Wo ist das Telefon?« fragte der Arzt.
    Flavia deutete mit dem Kopf zum Wohnzimmer. Der Arzt verschwand durch die Tür, und Flavia hörte ihn wählen, danach mit jemandem im Krankenhaus sprechen und eine Trage anfordern. Warum war sie darauf nicht selbst gekommen? Sie wohnten so nah beim Krankenhaus, sie brauchten gar kein Ambulanzboot.
    Luca, der hinter ihr stand, begnügte sich schließlich damit, die Decke wieder über Brett zu ziehen.
    Der Arzt kam zurück und beugte sich zu Flavia hinunter.

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