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Brunetti 09 - Feine Freunde

Brunetti 09 - Feine Freunde

Titel: Brunetti 09 - Feine Freunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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erstes den krassen Widerspruch zwischen der erhobenen Faust und dem ganz und gar bescheidenen Mann dahinter wahrnahm. Dem jungen Mann, den die plötzlich aufgehende Tür wohl erschreckt hatte, stand die Überraschung im Gesicht geschrieben. Dieses war länglich und hatte, wie man es bei Venezianern oft sieht, eine Nase, die aussah wie ein schmaler Schnabel. Der Mann hatte dunkelbraune Augen und braunes Haar, das frisch geschnitten wirkte. Er trug einen Anzug, der vielleicht blau war, aber ebensogut auch grau sein konnte. Die Krawatte war dunkel und hatte ein kleines, nicht erkennbares Muster. In der rechten Hand hielt der Mann eine braune, abgewetzte lederne Aktentasche; sie vervollkommnete das klassische Bild des farblosen Bürokraten - als sei es Teil ihrer Ausbildung, sich möglichst unscheinbar zu machen.
    »Franco Rossi«, stellte er sich vor, wobei er die Aktentasche in die andere Hand nahm und seine Rechte ausstreckte.
    Brunetti trat nach kurzem Händedruck einen Schritt zurück, um ihn hereinzulassen.
    Rossi bat zuerst höflich um Erlaubnis, dann betrat er die Wohnung. Drinnen blieb er stehen und wartete, daß Brunetti ihm den Weg wies.
    »Bitte hier herein«, sagte Brunetti, wobei er ihn in das Zimmer führte, in dem er gelegen und gelesen hatte. Er ging zum Sofa, steckte den alten Vaporetto-Fahrschein, den er als Lesezeichen benutzte, in das Buch und legte es auf den Tisch. Dann bedeutete er Signor Rossi, ihm gegenüber Platz zu nehmen, und setzte sich aufs Sofa.
    Rossi ließ sich auf der Sesselkante nieder und legte die Aktentasche auf seine Knie. »Ich weiß, daß Samstag ist, Signor Brunetti, und will mich darum bemühen, Ihnen nicht allzuviel Zeit zu stehlen.« Er sah zu Brunetti hinüber und lächelte. »Sie haben also unseren Brief erhalten, nicht wahr? - Ich hoffe, Sie hatten Zeit, darüber nachzudenken, Signore«, fügte er mit einem weiteren kurzen Lächeln hinzu. Er senkte den Kopf, öffnete seine Aktentasche und entnahm ihr eine dicke blaue Mappe, die er peinlich genau mitten auf die Tasche legte. Dann schnippte er gegen ein unbotmäßiges Blatt Papier, das unten herauszurutschen drohte, bis es wieder wohlbehalten im Stapel steckte.
    »Genaugenommen«, sagte Brunetti und zog den Brief aus der Tasche, in die er ihn beim Türöffnen gestopft hatte, »war ich gerade dabei, ihn noch einmal zu lesen, und ich muß sagen, daß ich die Ausdrucksweise ein wenig unverständlich finde.«
    Rossi blickte auf, und Brunetti sah einen Ausdruck ehrlicher Verblüffung über sein Gesicht huschen. »Ach ja? Und ich dachte, sie sei sehr klar.«
    Brunetti antwortete mit freundlichem Lächeln: »Sicher ist sie das für Leute, die mit so etwas tagtäglich zu tun haben. Aber wer mit der speziellen Fachterminologie Ihrer Dienststelle nicht vertraut ist, nun, für den ist das etwas schwierig zu verstehen.« Als Rossi darauf nichts sagte, fuhr Brunetti fort: »Sicher beherrschen wir alle den jeweiligen Jargon unseres eigenen Metiers; wahrscheinlich finden wir immer nur den der anderen schwierig.« Er lächelte wieder.
    »In welchen Metiers kennen Sie sich denn aus, Signor Brunetti?«
    Brunetti, der normalerweise nicht damit hausieren ging, daß er Polizist war, antwortete nur: »Ich habe Jura studiert.«
    »Aha«, meinte Rossi. »Dann würde ich aber nicht denken, daß unsere Terminologie sich allzusehr von der Ihren unterscheidet.«
    »Vielleicht liegt es einfach daran, daß ich mit den Zivilrechtsartikeln, auf die in Ihrem Brief verwiesen wird, nicht so vertraut bin«, räumte Brunetti ein.
    Rossi dachte darüber kurz nach und meinte dann: »Ja, das kann durchaus sein. Aber was ist es denn genau, was Sie nicht verstehen?«
    »Worum es überhaupt geht«, antwortete Brunetti ohne Umschweife, denn er hatte keine Lust mehr, so zu tun, als hätte er überhaupt etwas verstanden.
    Wieder dieses verdutzte Gesicht, so offen und ehrlich, daß Rossi fast jungenhaft aussah. »Was sagten Sie?«
    »Worum es dabei geht. Ich habe den Brief gelesen, aber da ich, wie gesagt, nichts von den Bestimmungen verstehe, auf die er sich bezieht, weiß ich nicht, was das Ganze bedeutet, also worum es geht.«
    »Natürlich geht es um Ihre Wohnung«, gab Rossi schnell zur Antwort.
    »Ja, soviel habe ich begriffen«, sagte Brunetti, sehr um einen geduldigen Ton bemüht. »Da der Brief von Ihrer Behörde kam, konnte ich mir soviel immerhin denken. Wobei ich allerdings nicht verstehe, welche Art von Interesse Ihre Behörde an meiner Wohnung haben

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