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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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erste sichere Zeichen dafür, daß der Sommer nahte.
    Da saßen sie in einträchtigem Schweigen. Von einer anderen Dachterrasse links wehten Stimmen zu ihnen herüber; hin und wieder klatschte ein zum Trocknen aus dem Fenster der Wohnung unter ihnen gehängtes Bettuch in der erfrischenden Brise, die aber leider keinen Regen verhieß.
    »Ich werde demnächst wohl ziemlich viel draußen auf Pellestrina sein«, sagte Brunetti.
    »Wann?«
    »Ab dieser Woche; vielleicht schon ab morgen.«
    »Um ein Auge auf sie zu haben?« fragte Paola, ohne ihre Einwände gegen Signorina Elettras Entschluß, nach Pellestrina hinauszufahren, zu erneuern.
    »Zum Teil, obwohl ich noch gar nicht genau weiß, wann sie hinfahren will.«
    »Wozu noch?«
    »Um mit Leuten zu reden. Mal hören, was sie so erzählen.«
    »Werden sie überhaupt mit dir reden, wenn sie wissen, daß du von der Polizei bist?«
    »Sie können es nicht gut ablehnen, mit mir zu reden, jedenfalls nicht direkt; sie können mir höchstens nicht die Wahrheit sagen oder behaupten, sie wüßten nichts über die Bottins. Das sind wir gewohnt.«
    »Wozu dann mit ihnen reden?« fragte Paola.
    »Um zu sehen, was sie mir nicht sagen oder worüber sie mich belügen.« Er schloß die Augen und lehnte sich zurück, um sich die Sonne aufs Gesicht scheinen zu lassen, zum erstenmal in diesem Jahr. Nach einiger Zeit sagte er: »Ich fürchte, das macht mich zu einem dieser Historiker oder zwingt mich zu einem ähnlichen Verhalten.« Er wartete auf Paolas Bitte um nähere Erklärung, und als diese nicht kam, blickte er auf, um zu sehen, ob sie eingeschlafen war. Sie war es nicht. Sie saß mit aufmerksamem Gesicht neben ihm und wartete, daß er fortfuhr.
    »Ich muß mir alle die unterschiedlichen Schilderungen anhören, sie abwägen und meine Reaktionen danach richten, wer von der einen oder der anderen Version profitiert.«
    »Und immer im Hinterkopf behalten, daß alle dich anlügen?«
    »Daß mich sehr wahrscheinlich alle anlügen«, räumte er ein.
    »Und dann?«
    »Hören, was man Signorina Elettra erzählt hat.«
    »Und dann?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Und abends bist du wieder zu Hause?«
    »Denke ich doch. Warum?«
    Sie bedachte ihn ob der Frage mit einem langen, erstaunten Blick. »Für den Fall, daß ich mich endlich entschließe, mit dem Postboten durchzubrennen. Dann wüßte ich doch gern, daß du hier bist und die Kinder versorgen kannst.«
    Am späten Nachmittag rief Signorina Elettra von unten an, um Brunetti zu sagen, daß Vice-Questore Patta ihn zu sprechen wünsche. Solche Aufforderungen lösten bei Brunetti selten Freude aus, aber heute hatte er so die Nase voll vom Lesen und Abzeichnen von Berichten, daß er selbst diese Gelegenheit zur Flucht willkommen hieß. Rasch ging er nach unten und betrat Signorina Elettras Vorzimmer.
    Sie begrüßte ihn mit einem Lächeln. »Er will Ihnen mitteilen, wer hier während seiner Abwesenheit das Sagen haben wird.«
    »Hoffentlich nicht ich«, meinte Brunetti; es würde seinen Pellestrina-Plänen sehr in die Quere kommen.
    »Nein«, antwortete sie, »darüber hat er schon mit Marotta gesprochen.« Marotta war ein Commissario aus Turin, der Anfang des Jahres in die Questura von Venedig versetzt worden war.
    »Wird jetzt von mir erwartet, daß ich beleidigt bin?« fragte Brunetti. Marotta war wesentlich jünger als er und kein Venezianer. Seine Einsetzung konnte also durchaus nichts weiter sein als eine absichtliche Kränkung.
    »Wahrscheinlich. Zumindest hätte er das gern, glaube ich.«
    »Dann will ich mir Mühe geben, so zu tun als ob«, sagte Brunetti. »Ich würde ihn ungern enttäuschen, kurz bevor er in Urlaub geht.«
    »Nicht in Urlaub, Commissario.« Signorina Elettras Stimme war die Mißbilligung selbst. »Er fährt zu einer Konferenz über neue Methoden der Verbrechensvorbeugung«, erklärte sie nachdrücklich, ohne aber nähere Einzelheiten zu nennen.
    »Und die ist in London«, fügte Brunetti hinzu.
    »In London«, bestätigte sie.
    »Auf englisch«, sagte Brunetti.
    »Yes, Sir«, antwortete sie.
    »Was der Vice-Questore mindestens so gut beherrscht wie Finnisch.«
    »Wahrscheinlich besser als Finnisch. Immerhin kann er Bond Street und Oxford Street und The Dorchester aussprechen.«
    »Und The Ritz nicht zu vergessen«, meinte Brunetti.
    »Haben Sie mit ihm darüber gesprochen?« fragte sie.
    »Worüber, die Konferenz oder sein Englisch?«
    »Die Konferenz, und wer da hingehen soll.«
    »Ich wollte meine Zeit nicht

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