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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti und Vianello kurz nach neun auf den Weg nach Pellestrina. Zwar war ihnen beiden bewußt, daß sie in einem brutalen Mordfall ermittelten, aber es war wieder einmal so ein herrlicher Tag, daß ihnen ganz leicht ums Herz wurde und sie sich wie Schuljungen auf Spaß und Abenteuer freuten. Kein Dienstzimmer, in das man eingesperrt war, kein Patta, der augenblickliche Fortschritte forderte, keine bestimmten Zeiten, zu denen man irgendwo zu sein hatte. Nicht einmal Bonsuan, der am Ruder stand und vor sich hin grummelte, daß Seitenströmungen sie aufhalten würden, konnte ihrer Stimmung etwas anhaben. Der Morgen enttäuschte sie nicht. Die Bäume bei den giardini trugen neue Blätter, und hin und wieder fuhr eine leichte Brise hinein und ließ ihre Unterseiten in dem vom Wasser reflektierten Licht schimmern.
    Als sie sich der Insel San Servolo näherten, lenkte Bonsuan das Boot in einem weiten Bogen nach rechts, um sie an Santa Maria della Grazia und San Clemente vorbeizusteuern. Nicht einmal der Gedanke, daß man diese Inseln seit Jahrhunderten dazu benutzte, die geistig und körperlich Kranken von der übrigen Bevölkerung Venedigs abzusondern, konnte Brunettis gute Laune dämpfen.
    Vianello überraschte ihn mit den Worten: »Mit Brombeeren wird bald Schluß sein.«
    Brunetti, der glaubte, das Rauschen des Windes habe ein Mißverständnis verursacht, beugte sich verwirrt zu ihm hinüber und fragte: »Wie?«
    »Da drüben«, sagte Vianello. »Sacca Sèssola. Da sind wir als Kinder immer zum Brombeerpflücken hingefahren. Die Insel war schon damals verlassen, daher wuchsen sie wie verrückt. Wir haben sie kiloweise gepflückt und uns die Bäuche vollgeschlagen, bis uns schlecht wurde.« Vianello hob die Hand, um seine Augen vor der Sonne zu schützen. »Aber jemand hat mir erzählt, daß sie verkauft worden ist, versteigert an eine Universität oder irgendein Unternehmen, und jetzt soll so etwas wie ein Kongreßzentrum darauf entstehen.« Brunetti hörte den Sergente seufzen. »Nichts mehr mit Brombeeren.«
    »Aber vermutlich mehr Touristen«, nannte Brunetti die Gottheit beim Namen, zu der die für die Stadt Verantwortlichen gegenwärtig beteten.
    »Mir wären die Brombeeren lieber.«
    Sie sprachen beide nicht mehr, bis sie zu ihrer Rechten den einzelnen Glockenturm von Poveglia sahen. Da fragte Vianello: »Wie wollen wir vorgehen, Commissaio?«
    »Ich meine, wir sollten versuchen, mehr über die Geschichte herauszubekommen, die uns der Kellner erzählt hat - das mit seinem Bruder und alles, was aus diesem Streit vielleicht entstanden ist. Sie sehen zu, daß Sie den Bruder finden, und hören, was er zu sagen hat, und ich gehe noch einmal zu Signora Follini.«
    »Sie sind ein tapferer Mann, Commissario«, sagte Vianello mit unbewegter Miene.
    »Meine Frau hat versprochen, die Polizei zu rufen, wenn ich bis zum Abendessen nicht zurück bin.«
    »Ich fürchte, gegen eine Signorina Follini könnten nicht einmal wir etwas ausrichten.«
    »Da mögen Sie recht haben, Sergente. Trotzdem. Ein Mann hat seine Pflicht zu tun.«
    »Ein echter John Wayne.«
    »Genau. Nachdem ich mit ihr gesprochen habe, werde ich mir die andere Bar vornehmen. Ich meine, ich hätte von dem Restaurant aus ein Stück weiter eine auf der anderen Straßenseite gesehen.«
    Vianello nickte. Gesehen hatte er sie auch, aber neulich war sie zu gewesen. »Mittagessen?« fragte er.
    »Im selben Lokal«, antwortete Brunetti. »Sofern es Ihnen nichts ausmacht, Muscheln und Fische übergehen zu müssen.«
    »Sie dürfen mir glauben, Commissario, das macht mir nicht das mindeste aus.«
    »Aber es sind doch die Nahrungsmittel, mit denen wir aufgewachsen sind«, sagte Brunetti, wobei er sich über seine eigene Beharrlichkeit wunderte. »Es muß Ihnen etwas ausmachen, sie nie mehr zu essen.«
    »Wie ich schon sagte, Commissario...«, antwortete Vianello, indem er sich umdrehte, um ihm beim Sprechen ins Gesicht zu sehen, wobei er wegen einer plötzlichen Bö mit der einen Hand nach seiner Mütze greifen mußte. »Also, wie gesagt, alles was ich gelesen habe, sagt mir, daß ich sie lieber nicht essen sollte.«
    »Aber Sie müssen sie doch vermissen. Sie müssen wenigstens weiter den Wunsch haben, sie zu essen«, bohrte Brunetti.
    »Natürlich vermisse ich sie. Ich wäre ja sonst kein Mensch. Wenn einer zu rauchen aufhört, vermißt er ja auch immer die Zigaretten. Aber ich glaube eben, daß sie mein Tod wären, Commissario, wirklich.« Ehe Brunetti das in Frage

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