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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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an. Schließlich hatte der ihm die Frage gestellt. Wenn der Polizist die Antwort mithörte, war das nicht seine Schuld. »Ich denke, er wird versuchen, nach Chioggia zu kommen.«
    Ein Mann an einem weiter entfernten Tisch meinte ungerührt: »Das schafft er doch nie bei Bora und auslaufender Flut. Wenn er dem Porto di Chioggia nur schon nahe kommt, wird er rausgespült aufs Meer.« Keiner widersprach, überhaupt sagte keiner etwas. Man hörte nur Regen und Wind, die jetzt zu einem einzigen gewaltigen Lärm verschmolzen.
    Von einem anderen Tisch ließ sich eine Männerstimme vernehmen: »Vittorio ist ein Miststück, aber er weiß, was er tut.«
    Ein anderer erhob sich halb und zeigte mit ausgestrecktem Arm zur Tür. »In so was weiß keiner, was er tut.« Sein hitziger Einwurf wurde sogleich von einem neuen Blitz beantwortet, der jetzt näher war, denn der lang anhaltende Donner folgte schnell.
    Als der Lärm sich wieder auf das Regengeprassel reduzierte, sagte einer, der in der Nähe der Tür saß: »Wenn das schlimmer wird, versucht er wahrscheinlich, an der Riserva auf Grund zu laufen.« Brunetti hatte ausgiebig die Karte studiert und sich von Bonsuan allerlei dazu erklären lassen, weshalb er wußte, daß die Riserva di Caroman gemeint sein mußte, ein ödes, sandiges Rechteck, das wie ein Tropfenan-hänger am Südende des langen, dünnen Fingers hing, der Pellestrina hieß.
    »Sie meinen, er würde sein Boot da auf Grund setzen?« fragte Brunetti.
    Der Mann setzte zu einer Antwort an, aber was er sagte, ging in einem gewaltigen Donner unter, der das ganze Haus zu erschüttern schien. Als es endlich wieder still war, versuchte er es noch einmal. »Anlegen kann er da nirgends, aber stranden lassen kann er das Boot wahrscheinlich.«
    »Warum kommt er nicht hierher zurück?«
    Der alte Mann schüttelte müde den Kopf, entweder über die Unmöglichkeit einer solchen Tat bei solchem Wetter oder über die Dummheit des Menschen, der so etwas fragte. »Nichts drin. Wenn er im Kanal zu wenden versucht, kann es ihm passieren, daß der Wind und die Flut ihn umschmeißen. Er kann nur versuchen, nach Caroman zu kommen. Damals, 1927«, begann er, und es klang aus seinem Munde, als hätte er auch diesen Sturm selbst miterlebt, »also, da ist es Elio Magrini so ergangen. Es hat ihn einfach auf den Rücken geschmissen wie eine Schildkröte. Sie haben ihn nie gefunden, und was von seinem Boot noch übrig war, das lohnte die Bergung nicht.« Er hob sein Glas, vielleicht im Gedenken an Elio Magrini, und leerte es in einem einzigen, langen Zug.
    Die ganze Zeit hatte Brunetti sich die verschiedenen Möglichkeiten durch den Kopf gehen lassen: Da der Wind von Nordwesten kam und das ablaufende Wasser vor sich her trieb, war die schmale Landzunge, die nach Caroman hinunterführte, wahrscheinlich überflutet. Er und Bonsuan würden nur mit dem Boot dort hinkommen, und wenn es stimmte, was der Alte gesagt hatte, würde dies bedeuten, daß sie das Polizeiboot auf Grund setzen müßten.
    »Und Sie meinen wirklich, sie ist mit hinausgefahren? Bei dem Wetter?« fragte Brunetti im abgeklärtesten Ton, den er zuwege brachte.
    Der Alte blies die Luft zwischen zusammengepreßten Lippen aus, was seinen ganzen Widerwillen gegen die Dummheit nicht nur Signorina Elettras, sondern aller Frauen zum Ausdruck brachte. Ohne noch ein weiteres Wort zu verlieren, verließ der Alte den Tresen und ging sich an einen der Tische setzen.
    Brunetti legte ein paar Tausendlirescheine auf den Tresen, steckte den Kassettenrecorder wieder ein und begab sich zur Tür. Kurz bevor er sie erreichte, wurde sie von außen aufgestoßen, aber niemand kam herein; nur Wind und Regen schlugen sie ein paarmal gegen die Wand. Brunetti ging in den Regen hinaus und zog gewissenhaft die Tür hinter sich zu.
    Er war auf der Stelle patschnaß; das ging so schnell, daß er nicht einmal Zeit hatte, sich zu überlegen, wie er sich gegen den Regen schützen könnte. Eben noch trocken, war er im nächsten Augenblick naß bis auf die Haut und die Schuhe voll Wasser, als wäre er in einen Teich hineingelaufen. Er schlug den Weg zum Anleger ein, wo er hoffentlich Bonsuan antreffen würde. Doch binnen Sekunden mußte er sich eine Hand vors Gesicht halten: Die vom Wind gepeitschten Regentropfen drangen ihm in die Augen und blendeten ihn. Das Wasser machte seine Kleider und Schuhe so schwer, daß er nur langsam vorankam.
    Sowie er aus dem Schutz der Häuser war, die auf der Lagunenseite die Straße

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