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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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säumten, stürzte sich der Wind auf ihn, als wollte er ihn zu Boden schlagen. Zum Glück standen entlang der Mole ein paar Straßenlaternen, und in dem trüben Lichtschein, den sie durch den so plötzlich verfinsterten Tag zu schicken vermochten, fand er den Weg zum Boot. Daß er nur langsam vorankam, war gut so, denn sonst wäre er noch gestürzt, als er über den Poller stolperte, an dem das Boot festgemacht war.
    Er hielt sich mit beiden Händen an dem pilzförmigen Ding fest, lehnte sich zu dem Schatten hinüber, den er für das Boot hielt, und rief Bonsuans Namen. Da keine Antwort kam, bückte er sich und tastete nach der Leine, doch als er sie fand, hing sie schlaff in seiner Hand, denn der Wind hatte das Boot fest an den Anleger getrieben. Er ging an Bord, wo er, geblendet durch eine plötzliche Regenbö, gegen die Kabinentür taumelte.
    Bonsuan öffnete und steckte den Kopf zur Tür heraus, und als er sah, daß es Brunetti war, zog er ihn nach drinnen. Erst da, wo er vor dem Regen geschützt war, merkte Brunetti, wie taub für alle anderen Geräusche ihn das Prasseln des Regens gemacht hatte, der auf die Straße niederging. Er brauchte eine kleine Weile, um sich an die relative Stille in der Kabine zu gewöhnen.
    »Können Sie sich in so was bewegen?« fragte er Bonsuan mit lauter Stimme, um sich gegen das Regenrauschen durchzusetzen.
    »Was meinen Sie mit ›bewegen‹?« fragte der Bootsführer zurück, der das Offensichtliche wohl nicht glauben mochte.
    »Runterfahren nach Caroman.«
    »Das ist verrückt. Wir können bei diesem Wetter gar nicht raus.« Wie um ihn zu bestätigen, schlug ein Regenschwall gegen die Steuerbordfenster der Kabine und ertränkte Stimmen und Gedanken. »Wir müssen warten, bis das vorbei ist, bevor wir nach Hause können.« Der Wind war noch stärker geworden, so daß Bonsuan richtig schreien mußte.
    »Ich meine nicht nach Hause.«
    »Wie?« fragte Bonsuan, der sich verhört zu haben glaubte.
    »Elettra ist bei ihnen. Auf Spadinis Boot. Jemand hat gesagt, sie sind zum Fischen ausgelaufen.«
    Bonsuans Gesicht erstarrte vor Überraschung, vielleicht auch vor Angst. »Ich habe sie gesehen. Jedenfalls habe ich ein Boot gesehen, ein Fischerboot. Das ist vor zwanzig Minuten hier vorbeigefahren. Zwei Männer darauf, und auf der anderen Seite lehnte noch jemand an der Reling und zog eine Leine aus dem Wasser. Sie meinen, das war sie?«
    Brunetti nickte, denn es ging leichter als sprechen.
    »Die sind doch verrückt, bei solchen Verhältnissen hinauszufahren«, sagte Bonsuan.
    »Jemand hat mir gesagt, sie würden wahrscheinlich Kurs auf Caroman nehmen und versuchen, dort auf den Strand aufzulaufen.«
    »Das ist auch verrückt«, schrie Bonsuan. »Wer hat das gesagt?« fragte er dann.
    »Einer der Fischer.«
    »Von hier?«
    »Ja.«
    Bonsuan schloß die Augen, als versuchte er sich die Insel mit den daneben verlaufenden Kanälen zu vergegenwätigen. Etwas weiter südlich wurde das Land vom Porto di Chioggia zerschnitten, einen Kilometer breit und dennoch schmal genug, um für reißende Gezeitenströme zu sorgen, besonders wenn starke Winde nachhalfen. An einem Tag wie heute wäre es selbstmörderisch, diesen Kanal in einem so leichten Gefährt wie dem Polizeiboot überqueren zu wollen. Selbst ein großes Fischerboot wie das, was er gesehen hatte, käme da in Schwierigkeiten. Vor diesem Kanal kam allerdings noch eine letzte Landspitze, wo nistende Vögel und die bröckelnden Ruinen einer Festung zu Hause waren. Aber selbst wenn dort jemand sein Boot auf Grund laufen ließ, konnten die Wellen es losreißen und um die Inselspitze herum aufs Meer hinaustragen.
    Bonsuan öffnete die Augen wieder und sah Brunetti an. »Wissen Sie das bestimmt?«
    »Was?«
    »Daß sie mit an Bord ist.« Es war typisch für den mürrischen, oft leicht zu erzürnenden Bonsuan, diese Frage zu stellen.
    »Sicher bin ich nicht. In der Bar hat einer gesagt, daß sie bei ihnen auf der Mole war.«
    »Kann ja wohl sonst niemand gewesen sein«, sagte Bonsuan, mehr zu sich selbst als zu Brunetti. Er drängte sich an dem Commissario vorbei, öffnete die Kabinentür und trat kurz hinaus. Mit geschlossenen Augen hob er die Handflächen vor sich in die Höhe wie ein Inder, der auf die Stimme einer seiner Gottheiten lauscht. Mit immer noch geschlossenen Augen drehte er den Kopf zu der einen Seite, dann zu der anderen, als horchte er auf etwas, das Brunetti nicht hören konnte.
    Er kam in die Kabine zurück und befahl: »Holen

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