Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune
Sie von draußen zwei Schwimmwesten.« Brunetti beeilte sich zu gehorchen. Augenblicke später war er mit den Westen wieder da, auch nicht nasser als vorher. Er beobachtete Bonsuan beim Anlegen seiner Schwimmweste und tat es ihm gleich.
»So«, sagte Bonsuan. »Der Wind wird kurz abflauen und dann stärker werden.« Brunetti hatte zwar keine Ahnung, woher Bonsuan das wissen wollte, aber er wäre nicht auf die Idee gekommen, dies anzuzweifeln. Mit erhobener Stimme fuhr Bonsuan fort: »Wir fahren jetzt da runter. Sollten wir im Kanal auf Grund laufen, müßte ich uns wieder freibekommen, wenigstens so lange, wie der Wind nicht stärker wird. Wenn wir nach Caroman kommen, müssen Sie den Scheinwerfer nehmen und nach dem Boot oder den Insassen suchen. Sollten sie auf Grund gegangen sein, würde ich versuchen, uns unmittelbar daneben an Land zu setzen.«
»Und wenn sie gar nicht dort sind?« fragte Brunetti.
»Dann versuche ich zu wenden und hierher zurückzukommen.«
Brunetti, dem die Geschichte von Elio Magrini einfiel, war einen Moment versucht, seinen Bootsführer zu fragen, ob sie das wohl riskieren sollten, aber er besann sich und fuhr sich statt dessen mit beiden Händen über Gesicht und Haare, damit ihm das Wasser nicht mehr so in die Augen lief.
Bonsuan ließ den Motor an und schaltete Scheinwerfer und Scheibenwischer ein, was aber gegen die zunehmende Dunkelheit und den strömenden Regen nicht viel half. Im rechten Moment fiel Brunetti noch ein, hinauszueilen und die Leine vom Poller zu lösen, um sie in losen Schlingen um eine Stange an der Reling des Boots zu legen. Dann ging er in die Kabine zurück und stellte sich hinter Bonsuan. Gedankenlos wischte er mit seinem durchnäßten Ärmel über die angelaufenen Fenster der Kabine, kaum aber waren sie klar, beschlugen sie schon wieder neu, so daß er immer wieder darüber wischen mußte.
Bonsuan betätigte noch einen Schalter, und Luft strömte von innen über die Scheibe und beseitigte den Dunstfilm. Langsam lenkte er das Boot rückwärts von der Mole. Sofort taumelte es, wie von einer Riesenhand getroffen, nach links, wodurch Brunetti gegen die rechte Kabinenwand flog. Bonsuan faßte das Ruder fester und warf sich mit seinem ganzen Gewicht nach rechts, um der Gewalt des Windes etwas entgegenzusetzen.
Schmutzgrauer Schaum spritzte gegen die Scheibe; die Kabinentür flog auf und knallte wieder zu. Immer wieder drückte der Wind das Boot nach links. Bonsuan betätigte erneut einen Schalter, und ein starker Scheinwerfer auf dem Bug unternahm den kläglichen Versuch, das Chaos der Finsternis, das sich vor ihnen auftat, zu durchdringen. Kaum hatte der Lichtstrahl ein Loch hineingebohrt, kaum konnten sie ein paar Meter weit sehen, kam brüllend eine neue Welle oder Gischtwolke angerollt, um ihnen erneut die Sicht zu nehmen.
Eine Seite der Kabinentür flog wieder auf und krachte Brunetti in den Rücken, aber die Schwimmweste dämpfte den Anprall, er bemerkte ihn kaum. Auch davon, daß die Temperatur stetig fiel, während die Bora über sie hinwegbrüllte, bekam er nicht viel mit. Wieder machte das Boot einen Satz nach links, und wieder brachte Bonsuan es in die vermutliche Mitte der Fahrrinne zurück. Vom Achterdeck hörten sie plötzlich ein gewaltiges Krachen, und ein Stück Holz durchschlug das rechte Kabinenfenster und streifte Brunettis Hand, bevor es ihm vor die Füße fiel.
Mit dem Mund ganz nah an Bonsuans Ohr schrie er: »Was war das?«
»Weiß ich nicht. Muß aus dem Wasser kommen.« Brunetti blickte nach unten, aber es war nichts als ein flaschengroßes Stück morsches Holz. Er stieß es mit einem ungeduldigen Fußtritt weg, doch schon im nächsten Augenblick rollte ein plötzlicher Windstoß es ihm wieder vor die Füße. Durch das kaputte Fenster strömte Regen herein, der Bonsuan durchnäßte und die Temperatur in der Kabine noch weiter senkte.
»O Dio, o Dio«, hörte er jetzt Bonsuan vor sich hin knurren. Plötzlich riß der Bootsführer das Ruder nach links und dann ebenso schnell wieder nach rechts, aber da hatten sie beide schon den schweren Schlag gegen die Backbordwand des Polizeiboots gefühlt.
Brunetti erstarrte. Ob das Boot nun sinken würde? Da Bonsuan ebensowenig wissen konnte wie er, was passiert war, belästigte er ihn nicht mit Fragen. Es folgten noch zwei kleinere Schläge, aber das Boot machte immer noch Fahrt, obwohl der Wind, der sie von rechts angriff, immer stärker zu werden schien.
Aus dem Nichts tauchte plötzlich
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