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Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune

Titel: Brunetti 10 - Das Gesetz der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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steigenden Temperaturen die Rede gewesen. Brunetti sagte ihm das, aber Bonsuan schnaubte nur voller Verachtung. »Ich fühle das einfach«, behauptete er störrisch. »Das ist die Bora. Wir wären besser nicht hier draußen.«
    Brunetti wandte den Blick nach vorn und sah helle Sonne auf stillem Wasser tanzen. Er verließ die Kabine, als das Boot an den Liegeplatz glitt. Kein Lüftchen regte sich, und als dann Bonsuan auch noch den Motor abstellte, störte kein Laut mehr die friedvolle Stille des Tages.
    Brunetti sprang vom Boot und vertäute es, nicht wenig stolz darauf, daß er das konnte. Er ließ Bonsuan zurück, damit er sich andere Seeleute suchen und mit ihnen übers Wetter reden konnte; er selbst ging ins Dorf und suchte das Restaurant auf, in dem er seine Ermittlungen begonnen hatte.
    Als er dort eintrat, verstummte die Unterhaltung, ging dann aber kurz darauf nur um so lebhafter weiter, weil alle auf einmal die Stille ausfüllen wollten, die durch das Ein-treten eines Commissario der Polizei hervorgerufen worden war. Brunetti ging an den Tresen und verlangte ein Glas Weißwein, und während er darauf wartete, blickte er sich um, zwar ohne zu lächeln, aber auch nicht so, daß der Eindruck entstand, er habe für sein Hiersein einen besonderen Grund.
    Er nickte dem Barkellner zu, als dieser den Wein brachte, und hob die Hand, damit der Mann nicht einfach wieder kehrtmachte. »Kennen Sie Carlo Targhetta?« fragte er, denn er hatte beschlossen, mit unnützen Versuchen, die Pellestrinotti zu überlisten, keine Zeit mehr zu vertun.
    Der Barkellner legte das Kinn schief, um so deutlich wie möglich zu zeigen, daß er über die Frage nachdachte, dann sagte er: »Nein, Signore. Nie gehört.«
    Ehe Brunetti sich an den alten Mann wenden konnte, der neben ihm am Tresen stand, rief der Barkellner so laut, daß alle im Raum es hören konnten: »Kennt hier jemand einen Carlo Targhetta?«
    Die Antwort kam im Chor: »Nein, Signore. Nie gehört.« Und schon ging die allgemeine Unterhaltung weiter, allerdings sah Brunetti das eine oder andere verschwörerische Lächeln hin und her gehen.
    Er wandte seine Aufmerksamkeit dem Wein zu und griff träge nach dem heutigen Gazzettino, der zusammengefaltet auf dem Tresen lag. Er klappte die Titelseite auseinander und begann die Schlagzeilen zu lesen. Nach und nach merkte er, wie die allgemeine Aufmerksamkeit von ihm abließ, besonders als ein Mann mit feistem Gesicht eintrat und verkündete, es habe zu regnen angefangen.
    Brunetti breitete die Zeitung auf dem Tresen aus. Mit der linken Hand nahm er den Kassettenrecorder aus der Tasche und schob ihn unter die Zeitung. Unterwegs hatte er das Band bis zu der Stelle vorlaufen lassen, wo der Anrufer Spadini unmittelbar einer Straftat bezichtigte und seine Stimme laut und hitzig wurde. Nun hob er die Zeitung an einer Ecke an, um kurz einen Blick auf das Gerät zu werfen. Er stellte es auf volle Lautstärke, legte den rechten Zeigefinger auf die Abspieltaste und ließ die Zeitung wieder herunterklappen. Den Finger weiter auf der Taste, nahm er sein Glas und trank einen Schluck, scheinbar ganz auf die Zeitung konzentriert.
    Drei Männer gingen hinaus, um sich den Regen anzusehen, während die Dagebliebenen verstummten und warteten, daß die anderen zurückkamen und berichteten.
    Brunetti drückte auf play. »Dieser Dreckskerl fischt sich täglich Millionen zusammen. Und zahlt nie eine Lira Steuern. Verkauft alles schwarz. Alles, was er verdient, ist Schwarzgeld.«
    Dem alten Mann neben ihm fiel das Weinglas aus der Hand, es zersplitterte am Boden. »Maria Santissima«, rief er aus. »Das war Bottin. Er ist gar nicht tot.«
    Sein Gejammer übertönte den nächsten Wortwechsel auf dem Band, aber alle in der Bar hörten Targhetta sagen: »...wüßten wir schon gern ein bißchen über den, der die Anzeige erstattet.«
    »O Dio«, rief der Alte und griff mit zittriger Hand an den Tresen, um sich daran festzuhalten. »Das ist Carlo.«
    Brunetti schob seine Hand unter die Zeitung und drückte auf stop. Das laute Klicken hallte in die Stille hinein, verletzte sie, aber veränderte sie nicht. Der alte Mann verstummte, aber seine Lippen bewegten sich weiter in stummem Gebet oder Protest.
    Die Tür ging auf, und die drei Männer kamen zurück, die Schultern dunkel und die Köpfe naß vom Regen. Ausgelassen wie Kinder, die man vorzeitig aus der Schule gelassen hat, riefen sie laut: »Es regnet, es regnet«, dann verstummten sie, als sie die geladene

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