Brunftzeit
weiter schlenderten, kamen drei andere auf uns zu. Und später sogar noch eine vierte.
Erst als eine Frau uns mahnte, endlich damit aufzuhören, die Mädels zu quälen und stattdessen mit dem Tanzen anzufangen, fiel der Groschen. Wir waren in dem ganzen Laden so ziemlich die einzigen heterosexuellen Nicht-Modepüppchen und fielen auf wie bunte Hunde. In diesem Umfeld, wo die meisten viel Aufwand betrieben hatten, um so gut wie möglich auszusehen und um jeden Preis Spaß haben wollten, erwies sich diese Wirkung als spektakulär. Während der folgenden Stunden erfuhren wir so viel weibliche Aufmerksamkeit wie wahrscheinlich nie wieder im Leben. Ich hörte auf, die Frauen zu zählen, die uns Avancen machten. Eine flüsterte mir sogar zu: »Ich gehe in zehn Minuten nach Hause und möchte, dass du mitkommst.« Auch mein Freund bekam jede Menge anzüglicher Anträge (mehr als ich, auch wenn ich das nur ungern zugebe).
Er entschloss sich recht früh, keines dieser Angebote anzunehmen (deren Erstes, »Begleitest du mich nach Hause?«, er bereits nach einer Stunde, d. h. gegen elf Uhr abends erhielt), weil es eine Schande gewesen wäre, diesem einzigartigen Abend ein vorzeitiges Ende zu setzen. Es war ein Erlebnis, das keiner von uns beiden je vergessen wird.
Das Ende der Veranstaltung war auf fünf Uhr morgens angesetzt, und wir blieben bis zum Schluss. Die letzte Stunde verbrachten wir damit, mitten in einer Gruppe zufällig zusammengewürfelter Frauen zu tanzen. Ich bin ein miserabler Tänzer (nein, das ist keine falsche Bescheidenheit – ich kann wirklichnicht tanzen), aber alle diese Frauen verhielten sich, als hätte man sie gerade aus dem Frauengefängnis entlassen und sie mit gleich zwei Justin Timberlakes auf der Tanzfläche beglückt.
Um fünf Uhr morgens stolperten wir lauthals lachend zur rund um die Uhr geöffneten Imbissbude auf der Brick Lane und konnten immer noch nicht fassen, was uns in dieser Nacht widerfahren war. Ein Wahnsinns-Abend. Ein toller, zauberhafter Abend.
Was meine Absicht anging, meinen Freund aufzuheitern, so war es ein Erfolg auf der ganzen Linie. Er wandelte wie auf Wolken, nicht zuletzt deshalb, weil er die Visitenkarten von mindestens fünfzehn Frauen in der Tasche hatte. Ich glaube nicht, dass er je eine der jungen Damen angerufen hat, aber darum ging es auch nicht. Der Abend hatte seinen Zweck erfüllt: Mein Freund fühlte sich wieder attraktiv.
Auch jetzt, Jahre später, lachen wir noch über diesen Abend. Und in einer Hinsicht behielten wir recht: Etwas Ähnliches ist uns nie wieder passiert. Dieser Abend bleibt einzigartig – ein Abend, an dem die Sterne für uns so günstig standen wie nie.
Und soll ich Ihnen was sagen? Es tut mir nicht einmal leid, dass es eine einmalige Sache war. Ich bin jetzt aus dem Rennen, und solange mir die Erinnerungen bleiben, erfreue ich mich daran. Ganz im Gegensatz zu B, der vor Neid beinahe geplatzt wäre, als er erfuhr, was er verpasst hatte.
Ruhige Zeiten – wie man eine Durststrecke übersteht
Ja, ja, das Selbstvertrauen! Nun haben wir die für mein Ego vernichtendste Phase meines Single-Daseins erreicht. Die Zeit, in der mein Selbstvertrauen völlig am Boden lag.
Etwa neun Monate nachdem ich wieder solo war, befand ich mich in einer gewissen Dating-Flaute. Ich möchte den Begriff hier einschränken, weil ich mir keine großen Gedanken darüber machte, dass ich kaum noch ausging. Mir ging es gut, ich war gern Single und es war meine eigene Entscheidung.
Zumindest bis zu einem gewissen Zeitpunkt. Mir war zunächst nicht klar, dass ich am Beginn eines der fürchterlichsten Albträume eines Single-Mannes stand: einer Durststrecke. Doch schon einen Monat später fiel mir auf, dass meine Situation sich beileibe nicht verbesserte. Seit Wochen schon hatte mich keine Frau geküsst – noch nicht einmal auf die Wange. Allerdings zeichnete sich am Ende des Tunnels ein Licht ab: Ich war zu einer Hochzeit eingeladen.
Hochzeiten sind die idealen Jagdgründe für Singles. Gefühle, Alkohol und hübsch gekleidete Gäste verschmelzen zumindest theoretisch zu einem kraftvollen Cocktail romantischer Bedürfnisse.
Ich erhoffte mir viel von dieser Feier. Es war ein tolles Fest mitten im Winter. Das Wetter spielte mit, das Lokal lag unmittelbar vor den Toren Londons, das Paar war sehr verliebt, viele Freunde waren gekommen und der Abend wurde mit dem witzigsten Tanz eröffnet, den ich je gesehen habe: einer bewusst kitschig inszenierten Choreografie zu
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