Brunftzeit

»perfekt« zu mir passe.
    Die nimmt den Mund ganz schön voll, dachte ich, und das führt meistens zu nichts. Aber immerhin hörte ich ihr zu.
    Die Frau sei total nett, eine heiße Nummer, intelligent und so weiter und so fort – wie zu verkuppelnde Frauen eben beschrieben werden. Mit Ausnahme der »Birnenförmigen und Vernünftigen«.
    Aber, so fügte meine Bekannte hinzu, die Frau sei auch »ziemlich wild«.
    Hm, dachte ich, das ist eher ungewöhnlich. Aber eben auch interessant. In den meisten Fällen werden die Frauen ja eher als »perfekte Ehefrau« denn als »ziemlich wild« etikettiert.
    »Ach, tatsächlich?«, hakte ich nach. »Erzähl mal mehr von ihr.«
    Ich erfuhr, dass sie oft ausgeht.
    Gut.
    Sie ist ziemlich laut.
    Auch gut.
    Sie ist sehr intelligent.
    Noch besser.
    Sie ist ausgesprochen witzig.
    Super.
    Das klang in der Tat recht vielversprechend.
    Schließlich wurde mir ihr Foto zugemailt, und damit war die Entscheidung gefallen – diese Frau wollte ich unbedingt kennenlernen. Vielleicht war es gar nicht so übel, verkuppelt zu werden.
    Aber dann erreichte mich, quasi als Nachhut, folgende E-Mail: »Ach ja, vor ein paar Monaten war sie Backstage beim Konzert von (hier müssen Sie gedanklich den Namen eines berühmten amerikanischen Rappers einfügen, dessen Name aus rechtlichen Gründen hier nicht stehen darf) und hat ihm einen geblasen.«
    Wie bitte? Du versuchst, mich mit dieser Frau zu verkuppeln und erzählst mir eine solche Geschichte? Spinnst du?
    »Ich dachte, Männer stehen auf diese Dinge«, sagte meine Freundin. »Frauen, die ein bisschen wild sind – du weißt schon.«
    Also, eine gewisse Wildheit gefällt uns durchaus. Diese gehört aber nicht dazu.
    Mein Interesse an der Frau wurde also keineswegs angefacht, sondern erlosch von einer Sekunde auf die andere. Wenn es ihrer Vorstellung von einem gelungenen Abend entspricht, amerikanischen Rappern sexuelle Genüsse zu verschaffen, kann ich ihr das nicht zum Vorwurf machen. Wenn ich so berühmt wäre wie dieser Kerl und obendrein noch Single, würde ich mich mit Sicherheit auch an den Legionen von Frauen erfreuen, die Tag für Tag an meinem Tourbus Schlange stehen.
    Aber ich bin nun einmal nicht er, und die Enthüllung legte einen Schalter um. Wollte ich wirklich mit einer Frau verkuppelt werden, die, wie die Boulevardpresse es formulieren würde, mit diesem Rapper eine heiße Sex-Nummer schob?
    Nein.
    Wie Bill nach dem flotten Dreier seiner Freundin würde ich beim Anblick der Frau vermutlich immer an diesen Sänger denken. Und zwar schon sofort bei unserem ersten Treffen.
    Könnte sich unter diesen Umständen überhaupt etwas zwischen uns entwickeln?
    Nein.
    Wenn allerdings Ihre persönliche sexuelle Vorgeschichte genug Stoff für eine lange, spannende Lektüre bietet, brauchenSie sich an dieser Stelle keine Sorgen zu machen. Die hier geschilderten Geschichten sollen lediglich zeigen, dass Männer eine Frau nur dann für vergangene Sünden verurteilen, wenn die Umstände außergewöhnlich sind. Wenn Sie mir nicht glauben, dann lassen Sie sich die Bemerkung eines meiner Freunde über seine Partnerin und ihre bewegte Vergangenheit auf der Zunge zergehen: »Manchmal bin ich schon ein bisschen eifersüchtig, aber ich glaube, das geht jedem ab und zu so. Ich werde nicht zulassen, dass die Vergangenheit der Frau, die ich liebe, unser jetziges Leben beeinflusst, denn sie hat weder etwas mit mir noch mit uns als Paar zu tun.
    Sie war früher ein bisschen wild – na und? Wir haben jetzt eine wundervolle Beziehung. Ich vertraue ihr vollkommen und möchte mein weiteres Leben mit ihr verbringen. Ich liebe sie als den Menschen, der sie heute ist – und der ist sie nur durch ihre Vergangenheit geworden. Natürlich sind ihre wilden Zeiten nicht unbedingt mein Lieblingsthema, trotzdem würde ich mir niemals von etwas so Unbedeutendem, das zudem nichts mit meinem Leben zu tun hat, weder mein Glück noch meine Partnerschaft zerstören lassen. Diese Nächte waren mit Sicherheit wirklich toll, aber für mich zählt nur das, was wir heute haben. Unsere Zukunft ist mir wichtiger als Dinge, die vor unserem ersten Treffen passiert sind.«
    Nebenbei bemerkt: Seine eigene Vergangenheit war, verglichen mit ihrer, ausgesprochen zahm.
    Die Sache funktioniert übrigens auch andersherum. Die Schwester einer meiner Bekannten verliebte sich in einen Mann, der ihr mit großer Offenheit erzählte, er habe vor ihr mit neunzig anderen Frauen geschlafen. Und zwar manchmal