Bruno Chef de police
den
minimes
spielen, und seine Nichte Fatima, die gute Chancen hat, die Tennismeisterschaft der Junioren zu gewinnen. Alles liebe Leute.«
»Und die ältere Generation?«, fragte der Priester.
Bruno hob den Blick von seinem Teller und schaute dem Priester in die Augen.
»Was soll damit sein? Ich habe den Großvater kennengelernt, bei Karims Hochzeit hier in der
mairie,
und es waren übrigens weder ein Priester noch ein Mullah zugegen. Versuchen Sie, mir irgendetwas zu sagen oder zu entlocken?«
»Gott bewahre«, antwortete Pater Sentout nervös. »Nein, ich habe nur zufällig den Alten getroffen. Er scheint an unserer Kirche interessiert zu sein, und darum frage ich mich... Wissen Sie, er saß ganz allein in der Kirche und hat, glaube ich, gebetet. Darum würde ich natürlich gern wissen, ob er Muslim ist oder nicht.«
»Haben Sie ihn gefragt?«
»Nein. Als ich auf ihn zugegangen bin, hatte er es plötzlich eilig wegzukommen. Seltsam. Er hat nicht einmal guten Tag gesagt. Dabei hätte ich gern erfahren, ob er am Katholizismus interessiert ist.«
Bruno zuckte mit den Achseln, die religiösen Neigungen eines alten Mannes interessierten ihn nicht. In diesem Moment tippte der Bürgermeister mit einem Messer an sein Glas und stand auf, um wie gewöhnlich eine kurze Rede zu halten. Bruno hörte pflichtschuldig zu und sehnte sich nach einem Kaffee, vielleicht auch nach einem kleinen Mittagsschläfchen auf der alten Couch in seinem Büro. Er bereitete sich innerlich auf einen langweiligen Nachmittag vor, den er am Schreibtisch würde verbringen müssen.
4
Bruno bemühte sich um gute Beziehungen zur örtlichen Gendarmerie, sechs Männern und zwei Frauen, die eine kleine Polizeistation am Stadtrand hatten, gleich neben dem Mietshaus, in dem sie wohnten. Da sie mehrere Gemeinden in dem weitläufigen Landbezirk eines der größten Départements Frankreichs beaufsichtigten, wurde die Polizeistation von einem
capitaine
geleitet. Der beugte sich nun in voller Uniform und sichtlich ungehalten, ja geradezu aggressiv über Brunos unaufgeräumten Schreibtisch.
»Der Präfekt hat mich telefonisch benachrichtigt. Und vom Ministerium in Paris sind mir klare Befehle erteilt worden«, blaffte
Capitaine
Duroc. »Der Befehl, diesem verdammten Rowdytum ein Ende zu machen. Nehmen Sie die Rädelsführer gefälligst fest, und statuieren Sie ein Exempel. Der Präfekt will sich nicht von Brüssel sagen lassen müssen, dass die Franzosen ein meuternder Haufen von EU-Gegnern sind. Und mein Dienstherr in Paris verbittet sich, dass Regierungsbeamte belästigt werden, die nur ihre Pflicht tun und den Hygienevorschriften Geltung verschaffen. Daran werde ich mich halten, und weil ich aus zuverlässiger Quelle weiß, dass in dieser Stadt nichts ohne Ihr Wissen geschieht, mein lieber Dienststellenleiter, verlange ich hiermit offiziell Ihre uneingeschränkte Kooperation.«
Die letzten Worte klangen wie ausgespuckt, und die Anrede >mein lieber Dienststellenleiter< war der reinste Hohn. Ein unappetitlicher Mann, dieser Duroc, dachte Bruno. Er war großgewachsen und spindeldürr; sein Adamsapfel wölbte sich über den Hemdkragen wie eine kranke Wucherung. Wie dem auch sei, es war ratsam, Zugeständnisse zu machen. Duroc war erst vor kurzem befördert worden und reagierte in seiner ersten leitenden Funktion offenbar nervös auf Befehle von ganz oben. Und da er in Saint-Denis mindestens zwei Jahre bleiben würde, wäre es verheerend, einen Fehlstart hinzulegen. Also befand Bruno, sich im Interesse der Stadt besser in Diplomatie zu üben, denn anderenfalls würde er darauf verzichten können, die für den Straßenverkehr zuständigen Gendarmen zu bitten, mit ihren Pusteröhrchen zu Hause zu bleiben, wenn der Rugby- oder Tennisclub oder der Jägerverein eine Party feierten. Wenn die hiesigen Sportsfreunde an solchen Abenden nicht ein bisschen mehr trinken konnten, ohne Gefahr zu laufen, von den Bullen angehalten zu werden, wäre der Spaß verdorben.
»Ich verstehe, mein lieber
capitaine«,
ließ sich Bruno erweichen. »Befehl ist Befehl. Rowdytum ist genau der richtige Ausdruck. So etwas schadet nur dem guten Ruf unserer friedlichen Stadt, und wir müssen in dieser Sache zusammenarbeiten. Sie haben meine volle Unterstützung.«
Er strahlte Duroc an, auf dessen rot angelaufenem Gesicht sich nun zwei weiße blutleere Flecken bildeten. Der
capitaine
war offenbar wirklich sehr verärgert.
»Also, wer steckt dahinter?«, wollte Duroc wissen. »Sie
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