Bruno Chef de police
genauso gut gegen eine Wand hätte reden können. Wieso zum Teufel wusste Jo überhaupt Bescheid? Wahrscheinlich war er in Ivans Café gewesen, als Jeanne die Fotos herumgezeigt hatte. Und dass das Auto vor der Bank parkte, hatte ihm wohl Marie-Louise gesteckt, die in der Bank arbeitete und mit Jos Neffen verheiratet war. »Und Ärger wird's geben, wenn wir nicht vorsichtig sind«, fuhr Bruno fort. »Tu bitte nichts, was mich zwingen würde, in Aktion zu treten.«
Bruno klappte sein Handy zu und hielt wieder Ausschau nach den Inspektoren. Von den Leuten, die über die Brücke kamen, kannte er die meisten. Plötzlich tauchte der alte verbeulte Renault Twingo auf, mit dem die örtliche Gendarmerie Zivilstreife fuhr. Am Steuer saß der neue
capitaine,
den Bruno bislang noch nicht persönlich kennengelernt hatte, ein mürrischer dünner Kerl mit Namen Duroc, von dem es hieß, dass er aus der Normandie stammte und seinen Dienst stur nach Vorschrift machte. Beunruhigt meldete sich Bruno wieder bei Jo.
»Blas alles ab, sofort«, drängte Bruno. »Sie werden auf ihre Reifen diesmal besser aufpassen. Soeben ist der neue Hauptmann der Gendarmerie in Zivil hier vorbeigekommen. Sieht so aus, als würden unsere Freunde ihr Auto bewachen lassen. Ich habe kein gutes Gefühl bei der Sache.«
»Merde«,
knurrte Jo. »Klar, damit hätten wir rechnen müssen, aber jetzt ist es zu spät. Ich habe Karim in der Bar Bescheid gegeben, und der wollte die Sache unbedingt selbst in die Hand nehmen. Hoffentlich erwische ich ihn noch und kann ihn zurückpfeifen.«
Bruno rief im
Café des Sports
an, das von Karim und seiner hübschen und hochschwangeren Frau Rashida geführt wurde. Karim war bereits aufgebrochen und hatte, wie Rashida vermutete, sein Handy nicht mitgenommen. Idiot, fluchte Bruno im Stillen. Eilig überquerte er die schmale Brücke und steuerte auf den großen Parkplatz vor der Bank zu, um Karim abzufangen.
Bruno kannte Karim, seit dieser vor rund zehn Jahren als Teenager in die Stadt gekommen war, ein schwergewichtiger, düster dreinblickender Araber, entschlossen, jedem jungen Franzosen »eins auf den Deckel zu geben«, der es wagte, ihn zu provozieren. Bruno wusste, wie er mit jungen Männern seines Schlages umgehen musste, und hatte ihm mit der Zeit beigebracht, seine Ressentiments auf dem Rugbyfeld abzureagieren. Er trainierte ihn zweimal pro Woche, ließ ihn jeden Samstag zum Match antreten, spielte im Sommer mit ihm Tennis und versuchte zu verhindern, dass er in Schlägereien geriet. Er hatte ihm einen Stammplatz in der Schulmannschaft verschafft, dann im Team von Saint-Denis und schließlich in einem Ligaverein, wo der junge Riese so viel Geld verdiente, dass er seine Rashida heiraten und das Café kaufen konnte. Bruno hatte bei ihrer Hochzeit die Tischrede gehalten.
Was für ein Idiot! Falls Karim jetzt Dummheiten machte, würde er sich verdammt großen Ärger einhandeln. Es stand zu befürchten, dass die Inspektoren über ihren Vorgesetzten Druck auf den Präfekten ausübten, der die
police nationale
oder vielleicht sogar das Verteidigungsministerium einschalten würde. Die Gendarmerie müsste anrücken und würde Karim in die Mangel nehmen, dann sähe es für ihn zappendüster aus. Mutwillige Beschädigung öffentlichen Eigentums - unter Anklage gestellt, würde Karim seine Lizenz für den Verkauf von Tabak verlieren und seinen Laden dichtmachen können. Er selbst würde vielleicht jede Aussage verweigern, nicht aber Rashida, die sich um ihr Kind Sorgen machte und dem Druck nicht standhalten könnte. Wenn sie aussagen würde, ginge es auch dem alten Jo und dem Rest der Rugbymannschaft an den Kragen, und über kurz oder lang wäre das sorgfältig geknüpfte Netzwerk der friedlichen Gemeinde von Saint-Denis aufgelöst. Das konnte Bruno nicht zulassen.
Vorsichtshalber verlangsamte Bruno seinen Schritt, als er vor der Tafel für amtliche Mitteilungen um die Ecke bog, das Kriegerdenkmal passierte und an den parkenden Autos vorbeiging, die wie bunte Soldaten vor der Bank
Crédit Agricole
Wache standen. Er suchte nach dem Twingo der Gendarmerie und entdeckte Duroc in der Warteschlange vor dem Geldautomaten der Bank. Ein paar Schritt hinter ihm stand Karim, der sich mit Colette von der chemischen Reinigung unterhielt. Erleichtert ging Bruno auf ihn zu.
»Karim«, sagte er und beeilte sich hinzuzufügen:
«Bonjour,
Colette.« Er gab ihr einen Kuss auf beide Wangen und wandte sich dann wieder Karim zu: »Ich muss mit dir
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