Bucheckern
kurz, was er noch alles fragen musste, aber da war unten schon das Feuerwehrfahrzeug zu hören. „Vielen Dank, Frau Becker, wir melden uns bald wieder. Vielleicht haben Sie noch irgendetwas bemerkt, was uns weiterhelfen könnte“, verabschiedete sich der Kommissar. In der Tür drehte er sich noch mal um und reichte Luise Becker seine Karte: „Am besten erreichen Sie mich über meine Handynummer. Da können Sie jederzeit anrufen.“ Dann eilte er die Treppen hinunter, um die Drehleitermannschaft einzuweisen.
Von der Straße aus war der Schulbeutel fast nicht zu sehen, doch Lindt hatte sich die Stelle gut gemerkt. Die Feuerwehr hatte einige Mühe, das große Fahrzeug in der baumbestandenen und stark zugeparkten Straße in die richtige Position zu bringen, doch schließlich war die Leiter bereit, ausgefahren zu werden. Neben dem Feuerwehrmann hatte nur noch eine weitere Person Platz im Korb und so fuhr Lindt als erster hoch, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die Spurensicherung sollte danach erfolgen. Die Höhe machte ihm eigentlich nichts aus, denn dass er schwindelfrei war, hatte er schon früher bei vielen Gebirgswanderungen bewiesen, aber die ruckartigen Bewegungen oben an der Leiter erinnerten doch sehr an starken Seegang.
Der Rucksack hing in ungefähr elf Metern Höhe mit seinem rechten Träger an einem Aststummel fest und war wohl von oben her in die Baumkrone gefallen. Lindt ließ ihn vorerst noch hängen, konnte aber, wenn er nach oben blickte, mit einiger Phantasie die Strecke nachvollziehen, die die Tasche beim Fallen genommen haben musste. Er ließ die Feuerwehrleiter an der Außenseite der Baumkrone entlang nach oben fahren und konnte so über die Bruchstellen an den Zweigen und die abgeknickten Astteile die Fallspur gut verfolgen.
Die Spurensicherung musste das Ganze genau vermessen, aber bei einem Blick zum Haus war sich Lindt ziemlich sicher, dass das Teil aus einem der beiden Mansardenfenster des Dachbodens gefallen sein musste.
Nachdem die Drehleiter wieder eingefahren war und er die inzwischen eingetroffenen Beamten der Spurensicherung informiert hatte, kramte Lindt erst mal eine Pfeife aus seiner Jackentasche und stopfte sie mit zerbröseltem Navy-Flake, seinem in kleine Platten gepressten Lieblingstabak.
„Immer das gleiche mit diesen teuren Pfeifenfeuerzeugen“, knurrte er genervt vor sich hin, „sie funktionieren ein paar Monate, und wenn man sie öfter nachgefüllt hat, dann zünden sie nicht mehr richtig.“ Zum Geburtstag im Juni hatten ihm seine Kollegen ein besonders edles Modell mit einer Oberfläche aus gebürstetem Edelstahl geschenkt. Der Beschreibung nach war es ein Sturmfeuerzeug, doch im Moment ließ es sich nicht einmal die kleinste Flamme entlocken.
Zum Glück trafen gerade seine Mitarbeiter Jan Sternberg und Paul Wellmann ein. „Hat einer von euch Feuer?“, begrüßte er sie. Sternberg reichte ihm ein Feuerzeug und so konnte Lindt seine Pfeife endlich anzünden.
„Sagt mal, könnt ihr euch vorstellen, wieso eine Schultasche aus einem Mansardenfenster fliegt? Von dort ist sie wohl gekommen“. Er zeigte nach oben. „Schaut euch doch mal auf dem Dachboden um, ich komme nachher hoch.“
Lindt wusste, dass er sich auf sein Team verlassen konnte. Mit Hauptkommissar Paul Wellmann arbeitete er bereits vierundzwanzig Jahre zusammen und auch Kriminalhauptmeister Jan Sternberg, Mitte dreißig, war schon einige Jahre in Lindts Abteilung. Er stand kurz davor, demnächst den Aufstiegslehrgang zum gehobenen Dienst anzutreten und hatte in mehreren Fällen als gelernter Elektroniker sein technisches Wissen zur Aufklärung schwieriger Zusammenhänge einbringen können.
Lindt wartete noch auf den Schulrucksack, den ein Mitarbeiter der Spurensicherung eben aus der Baumkrone abnahm. „Aber bitte Handschuhe anziehen“, sagte der zu Lindt und reichte ihm das langgesuchte Objekt aus dem Drehleiterkorb herunter. Der Kommissar angelte schnell ein paar dünne Latexhandschuhe aus seiner Jackentasche, streifte sie über und öffnete den Reißverschluss auf einer weißen Plane, die auf dem Boden ausgebreitet worden war.
Er wollte nur einen kurzen Blick hineinwerfen, denn eine genauere Untersuchung blieb natürlich der Kriminaltechnik vorbehalten. Schulbücher, Hefte, Mäppchen und Vesperdose konnte Lindt auf die Schnelle erkennen. Eine seitlich steckende Geldbörse mit Namen, Telefonnummer und Adresse „Patrick Berghoff – Humboldtstraße 17 – Karlsruhe“ lies zur
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