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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Ölschicht, die ihrerseits auf dem Wasser schwamm, mit dem das Glas zur Hälfte gefüllt war, mehrere kleine Dochte und gaben dem großen Zimmer mit seinen gradlinigen Armstühlen, deren Polster zum Schutze mit grauer Leinwand bezogen waren, ein stilles, ebenmäßiges und schwaches Licht. Frau Grünlich ruhte im Bette. Ihr hübscher Kopf war weich in die von breiten Spitzenborten umgebenen Kissen gesunken, und ihre Hände lagen gefaltet auf der Steppdecke. Aber ihre Augen, zu nachdenklich, um sich zu schließen, folgten langsam den Bewegungen eines großen Insektes mit langem Leibe, das standhaft mit Millionen lautloser Flügelschwingungen das helle Glas umkreiste … Neben dem Bett an der Wand, zwischen zwei alten Kupferstichen, Ansichten der Stadt aus dem Mittelalter, war eingerahmt der Spruch zu lesen: »Befiehl dem Herrn deine Wege …« aber ist Das ein Trost, wenn man um Mitternacht mit offenen Augen liegt und sich entschließen, sich entscheiden, ganz allein und ohne Rat mit Ja oder Nein über sein Leben und nicht nur darüber entscheiden soll?
    Es war sehr still. Nur die Wanduhr tickte, und dann und wann erklang im Nebenzimmer, das von Tonys Schlafzimmer nur durch Portièren getrennt war, das Räuspern Mamsell Jungmanns. Dort war noch helles Licht. Die treue Preußin saß noch aufrecht am Ausziehtische unter der Hängelampe und stopfte Strümpfe für die kleine Erika, deren tiefe und friedliche Atemzüge man vernehmen konnte, denn Sesemi Weichbrodts Zöglinge hatten nun Sommerferien, und das Kind wohnte in der Mengstraße.
    Frau Grünlich richtete sich mit einem Seufzer ein wenig empor und stützte den Kopf in die Hand.
    »Ida?« fragte sie mit verhaltener Stimme, »sitzest du noch da und stopfst?«
    »Ja, ja, Tonychen, mein Kindchen«, ließ sich Idas Stimme {370} hören … »Schlaf nur, wirst morgen früh aufstehen müssen, wirst nicht ausgeschlafen haben.«
    »Schon gut, Ida … Du weckst mich also morgen um sechs?«
    »Halb sieben ist früh genug, mein Kindchen. Der Wagen ist auf acht bestellt. Schlaf nun weiter, daß du wirst hübsch frisch sein …«
    »Ach, ich habe noch gar nicht geschlafen!«
    »Ei, ei, Tonychen, das ist nicht recht; wirst doch in Schwartau nicht marode sein wollen? Trink sieben Schluck Wasser, leg' d'ch rechts und zähl' bis tausend …«
    »Ach, Ida, bitte, komm doch noch ein bißchen herüber! Ich kann nicht schlafen, will ich dir sagen, ich muß so viel denken, daß der Kopf mir weh thut … sieh mal, ich glaube, ich habe Fieber, und dann ist es wieder der Magen; oder es ist Bleichsucht, denn die Adern an meinen Schläfen sind ganz geschwollen und pulsieren, daß es wehthut, so voll sind sie, was ja nicht ausschließt, daß trotzdem zu wenig Blut im Kopfe ist …«
    Ein Stuhl ward gerückt, und Ida Jungmanns knochige, rüstige Gestalt in ihrem schlichten und unmodernen braunen Kleid erschien zwischen den Portièren.
    »Ei, ei, Tonychen, Fieber? Laß mal fühlen, mein Kindchen … Woll'n mal ein Kompreßchen machen …«
    Und mit ihren ein wenig männlich langen und festen Schritten ging sie zur Kommode und holte ein Taschentuch, tauchte es in die Wasch-Schüssel, trat wieder ans Bett und legte es behutsam auf Tonys Stirn, worauf sie es noch ein paar Mal mit beiden Händen glatt strich.
    »Danke, Ida, das thut gut … Ach, setz' dich noch ein bißchen zu mir, gute alte Ida, hier, auf den Bettrand. Sieh mal, ich muß beständig an morgen denken … Was soll ich bloß thun? Bei mir dreht sich Alles im Kopfe herum.«
    Ida hatte sich zu ihr gesetzt, hatte ihre Nadel und den über die Stopfkugel gezogenen Strumpf wieder zur Hand genom {371} men, und während sie den glatten grauen Scheitel neigte und mit ihren unermüdlich blanken braunen Augen die Stiche verfolgte, sagte sie:
    »Meinst du, daß er wird fragen, morgen?«
    »Sicher, Ida! Da ist gar kein Zweifel. Die Gelegenheit wird er nicht verpassen. Wie war's mit Clara? Auch auf solcher Partie … Ich könnte es ja vermeiden, siehst du. Ich könnte mich ja zu den Anderen halten und ihn nicht herankommen lassen … Aber damit ist es dann auch vorbei! Er reist übermorgen, das hat er gesagt, und er kann auch unmöglich länger bleiben, wenn morgen nichts daraus wird … Es
muß
sich morgen entscheiden … Aber was soll ich nur sagen, Ida, wenn er fragt?! Du bist noch nie verheiratet gewesen und kennst daher das Leben eigentlich nicht, aber du bist ein ehrliches Weib und hast deinen Verstand und bist zweiundvierzig

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