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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Jahre alt. Kannst du mir nicht raten? Ich hab' es so nötig …«
    Ida Jungmann ließ den Strumpf in den Schoß sinken.
    »Ja, ja, Tonychen, hab' auch schon viel drüber nachjedacht. Aber was ich finde, das ist, daß da gar nichts mehr zu raten ist, mein Kindchen. Er kann gar nicht mehr weg« – Ida sagte »weck« – »ohne mit dir und deiner Mama zu sprechen, und wenn du nicht wirst wollen, ja, da hätt'st ihn müssen früher weckschikken …«
    »Da hast du recht, Ida; aber das konnte ich doch nicht, denn es soll ja schließlich doch sein! Ich muß nur immer denken: Noch kann ich zurück, noch ist es nicht zu spät! Und da liege ich nun und quäle mich …«
    »Magst ihn leiden, Tonychen? Sag' mal ehrlich!«
    »Ja, Ida. Da müßte ich lügen, wenn ich das leugnen wollte. Er ist nicht schön, aber darauf kommt es nicht an, in diesem Leben, und er ist ein grundguter Mann und keiner Bosheit fähig, das glaube mir. Wenn ich an Grünlich denke … o Gott! er sagte beständig, daß er rege und findig sei, und bemäntelte in {372} tückischer Weise seine Filouhaftigkeit … So ist Permaneder nicht, siehst du. Er ist, möchte ich sagen, zu bequem dazu, und nimmt das Leben zu gemütlich dazu, was übrigens andererseits auch wieder ein Vorwurf ist, denn Millionär wird er sicher nicht werden und neigt, glaube ich, ein bißchen dazu, sich gehen zu lassen und so weiter zu wursteln, wie sie da unten sagen … Denn sie sind alle so dort unten, und das ist es, was ich sagen wollte, Ida, das ist die Sache. Nämlich in München, wo er unter seines Gleichen war, unter Leuten, die so sprachen und so waren wie er, da liebte ich ihn geradezu, so nett fand ich ihn, so treuherzig und behaglich. Und ich merkte auch gleich, daß es gegenseitig war, – wozu vielleicht beitrug, daß er mich für eine reiche Frau hält, für reicher, fürchte ich, als ich bin, denn Mutter kann mir nicht mehr viel mitgeben, wie du weißt … Aber das wird ihm nichts ausmachen, bin ich überzeugt. So sehr viel Geld, das ist gar nicht nach seinem Sinn … Genug … was wollte ich sagen, Ida?«
    »In München, Tonychen; aber hier?«
    »Aber hier, Ida! Du merkst schon, was ich sagen will. Hier, wo er so ganz aus seiner eigentlichen Umgebung herausgerissen ist, wo Alle anders sind, strenger und ehrgeiziger und würdiger, sozusagen … hier muß ich mich oft für ihn genieren, ja, ich gestehe es dir offen, Ida, ich bin ein ehrliches Weib, ich geniere mich für ihn, obgleich es vielleicht eine Schlechtigkeit von mir ist! Siehst du … mehrere Male ist es ganz einfach vorgekommen, daß er im Gespräche ›mir‹ statt ›mich‹ gesagt hat. Das thut man da unten, Ida, das kommt vor, das passiert den gebildetsten Menschen, wenn sie guter Laune sind, und thut Keinem weh und kostet nichts und läuft so mit unter, und niemand wundert sich. Aber hier sieht Mutter ihn von der Seite an, und Tom zieht die Augenbraue hoch, und Onkel Justus giebt sich einen Ruck und pruscht beinahe, wie die Krögers immer thun, und Pfiffi Buddenbrook wirft ihrer Mutter oder Friederike oder {373} Henriette einen Blick zu, und dann schäme ich mich so sehr, daß ich am liebsten aus der Stube laufen möchte, und kann mir nicht denken, daß ich ihn heiraten könnte …«
    »Ach wo, Tonychen! Sollst ja auch in München mit ihm leben.«
    »Da hast du recht, Ida. Aber nun kommt die Verlobung, und die wird gefeiert, und nun bitte ich dich, wenn ich mich vor der Familie und vor Kistenmakers und Möllendorpfs und den Anderen beständig schämen muß, weil er so wenig vornehm ist … ach, Grünlich war vornehmer, wofür er allerdings innerlich schwarz war, wie Herr Stengel seinerzeit immer gesagt haben soll … Ida, der Kopf dreht sich mir, bitte, tauch' die Compresse ein.«
    »Schließlich soll es ja doch sein«, sagte sie wieder, indem sie aufatmend den kalten Umschlag entgegennahm, »denn die Hauptsache ist und bleibt, daß ich wieder unter die Haube komme und hier nicht länger als geschiedene Frau herumliege … Ach, Ida, ich muß so viel zurückdenken in diesen Tagen, an damals, als Grünlich zuerst erschien, und an die Auftritte, die er mir machte – skandalös, Ida! – und dann Travemünde, Schwarzkopfs …« sagte sie langsam, und ihre Augen ruhten eine Weile träumerisch auf der gestopften Stelle von Erikas Strumpf … »und dann die Verlobung und Eimsbüttel, und unser Haus – es war vornehm, Ida; wenn ich an meine Schlafröcke denke … So werde ich es nicht

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