Buddenbrooks
hinterbringst. Das aber weiß ich, und das möchte ich denn doch aussprechen, daß es in diesem Leben nicht darauf ankömmt, wie etwas ausgesprochen und ausgedrückt wird, sondern wie es im Herzen gemeint und empfunden ist, und wenn du dich über Herrn Permaneders Ausdrucksweise moquierst … wenn du ihn etwa lächerlich findest …«
»Wen?! Aber Tony, ich denke gar nicht daran! Worüber ereiferst du dich …«
»Assez!« sagte die Konsulin und warf ihrem Sohne einen ernsten und bittenden Blick zu, welcher bedeutete: Schone sie!
»Na, nicht böse sein, Tony!« sagte er. »Ich habe dich nicht ärgern wollen. So, und nun gehe ich und gebe Ordre, daß Jemand von den Speicherleuten den Koffer hierher besorgt … Auf Wiedersehn!«
{367} 5.
Herr Permaneder zog in der Mengstraße ein, er speiste am folgenden Tage bei Thomas Buddenbrook und seiner Gattin und machte am dritten, einem Donnerstage, die Bekanntschaft Justus Krögers und seiner Frau, der Damen Buddenbrook aus der Breitenstraße, die ihn forchtbar komisch fanden – sie sagten »forchtbar« … Sesemi Weichbrodts, die ihn ziemlich streng behandelte, sowie diejenige der armen Klothhilde und der kleinen Erika, welcher er eine Düte mit »Gutzeln«, das heißt: Bonbons, überreichte …
Er war von unverwüstlich gemütlicher Laune mit seinen verdrießlichen Stoßseufzern, die nichts bedeuteten und aus einem Überfluß mit Behaglichkeit hervorzugehen schienen, seiner Pfeife, seiner kuriosen Sprache, der unverdrossenen Seßhaftigkeit, mit der er lange nach den Mahlzeiten in bequemster Haltung an seinem Platze verharrte, rauchte, trank und plauschte, und obgleich er dem stillen Leben in dem alten Hause einen ganz neuen und fremden Ton hinzufügte, obgleich sein ganzes Wesen gleichsam etwas Stilwidriges in diese Räume brachte, störte er doch keine der herrschenden Gewohnheiten. Er wohnte treu den Morgen- und Abendandachten bei, erbat sich die Erlaubnis, einmal der Sonntagsschule der Konsulin zuzuhören und erschien sogar am »Jerusalemsabend« auf einen Augenblick im Saale, um sich den Damen vorstellen zu lassen, worauf er sich freilich, als Lea Gerhardt vorzulesen begann, verstört zurückzog.
Seine Erscheinung war rasch bekannt in der Stadt, und in den großen Häusern sprach man mit Neugier von dem Buddenbrookschen Gaste aus Bayern; aber weder in den Familien noch an der Börse besaß er Verbindungen, und da die Jahreszeit vorgeschritten war, da man zum großen Teile sich anschickte, an die See zu gehen, nahm der Konsul Abstand von einer Ein {368} führung Herrn Permaneders in die Gesellschaft. Er selbst widmete sich dem Gaste lebhaft und angelegentlich. Trotz allen geschäftlichen und städtischen Pflichten nahm er sich Zeit, ihn in der Stadt umherzuführen, ihm alle mittelalterlichen Sehenswürdigkeiten, die Kirchen, die Thore, die Brunnen, den Markt, das Rathaus, die »Schiffergesellschaft«, zu zeigen, ihn in all und jeder Weise zu unterhalten, ihn immerhin auch an der Börse mit seinen nächsten Freunden bekannt zu machen … und als die Konsulin, seine Mutter, Gelegenheit nahm, ihm für seine Opferwilligkeit Dank zu sagen, bemerkte er trocken:
»Tja, Mutter, was thut man nicht Alles …«
Dieses Wort ließ die Konsulin so unbeantwortet, daß sie nicht einmal lächelte, nicht einmal die Lider bewegte, sondern ihre hellen Augen still beiseite gleiten ließ und irgend eine Frage in anderer Beziehung that …
Sie war von gleichmäßig herzlicher Freundlichkeit gegen Herrn Permaneder, was so unbedingt von ihrer Tochter nicht gesagt werden konnte. Zwei »Kindertagen« hatte der Hopfenhändler schon angewohnt – denn, obgleich er bereits am dritten oder vierten Tage nach seiner Ankunft beiläufig zu erkennen gegeben hatte, daß sein Geschäft mit der hiesigen Brauerei erledigt sei, waren allgemach anderthalb Wochen seitdem verflossen – und an jedem dieser Donnerstagabende hatte Frau Grünlich mehrmals, wenn Herr Permaneder sprach und agierte, hurtige und scheue Blicke auf den Familienkreis, auf Onkel Justus, die Cousinen Buddenbrook oder Thomas geworfen, war errötet, hatte sich während längerer Minuten steif und stumm verhalten oder sogar das Zimmer verlassen …
*
Die grünen Stores in Frau Grünlichs Schlafzimmer im zweiten Stockwerk wurden sacht von dem lauen Atem einer klaren Juninacht bewegt, denn die beiden Fenster standen offen. Auf {369} dem Nacht-Tischchen zur Seite des Himmelbettes brannten in einem Glase auf einer
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