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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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wieder haben, mit Permaneder; das Leben macht einen immer bescheidener, weißt du – und Doktor Klaaßen, und das Kind, und Bankier Kesselmeyer … und dann das Ende – es war entsetzlich, du machst dir keinen Begriff, und wenn man so grauenhafte Erfahrungen gemacht hat im Leben … Aber Permaneder wird sich nicht auf schmutzige Sachen einlassen; – das ist das Letzte, was ich ihm zutraue, und geschäftlich können wir uns gut auf ihn verlassen, denn ich glaube wirklich, daß er mit Noppe bei der Nieder {374} paurschen Brauerei ziemlich viel verdient. Und wenn ich seine Frau bin, Ida, das sollst du sehen, dann will ich schon dafür sorgen, daß er ehrgeiziger wird und uns weiterbringt und sich anstrengt und mir und uns Allen Ehre macht, denn
die
Verpflichtung übernimmt er schließlich, wenn er eine Buddenbrook heiratet!«
    Sie faltete die Hände unterm Kopf und sah zur Decke hinauf.
    »Ja, das ist nun gut und gern seine zehn Jahre her, seit ich Grünlich nahm … Zehn Jahre! Und nun bin ich wieder so weit und soll wieder Jemandem mein Jawort erteilen. Weißt du, Ida, das Leben ist doch furchtbar ernst! … Aber der Unterschied ist, daß damals ein großes Wesen gemacht wurde und Alle mich drängten und quälten, und daß sich jetzt Alle ganz still verhalten und es als selbstverständlich nehmen, daß ich Ja sage; denn du mußt wissen, Ida, diese Verlobung mit Alois – ich sage schon Alois, denn es soll ja schließlich doch sein – ist gar nichts Festliches und Freudiges und um mein Glück handelt es sich eigentlich gar nicht dabei, sondern, indem ich diese zweite Ehe eingehe, mache ich nur in aller Ruhe und Selbstverständlichkeit meine erste Ehe wieder gut, denn das ist meine Pflicht unserem Namen gegenüber. So denkt Mutter, und so denkt Tom …«
    »Ach wo, Tonychen! wenn ihn nicht wirst wollen, und wenn er dich nicht wird glücklich machen …«
    »Ida, ich kenne das Leben und bin keine Gans mehr und habe meine Augen im Kopf. Mutter … das mag sein, die würde nicht geradezu darauf dringen, denn über fragwürdige Dinge geht sie hinweg und sagt Assez. Aber Tom, der will es. Lehre du mich Tom kennen! Weißt du, wie Tom denkt? Er denkt: ›Jeder! Jeder, der nicht absolut unwürdig ist. Denn es handelt sich diesmal nicht um eine glänzende Partie, sondern nur darum, daß die Scharte von damals durch eine zweite Ehe so ungefähr wieder ausgewetzt wird.‹ So denkt er. Und sobald Permaneder ange {375} kommen war, hat Tom in aller Stille geschäftliche Erkundigungen über ihn eingezogen, da sei überzeugt, und als die ziemlich günstig und sicher lauteten, da war es beschlossene Sache bei ihm … Tom ist ein Politiker und weiß, was er will. Wer hat Christian an die Luft gesetzt? … Obgleich das ein hartes Wort ist, Ida, aber es verhält sich so. Und warum? Weil er die Firma und die Familie kompromittierte, und das thue ich in seinen Augen auch, Ida, nicht mit Thaten und Worten, sondern mit meiner bloßen Existenz als geschiedene Frau. Das, will er, soll aufhören, und damit hat er recht, und ich liebe ihn darum bei Gott nicht weniger und hoffe auch, daß das auf Gegenseitigkeit beruht. Schließlich habe ich mich in all diesen Jahren immer danach gesehnt, wieder ins Leben hinauszutreten, denn ich langweile mich bei Mutter, Gott strafe mich, wenn das eine Sünde ist, aber ich bin kaum dreißig und fühle mich jung. Das ist verschieden verteilt im Leben, Ida; du hattest mit dreißig schon graues Haar, das liegt in eurer Familie, und dein Onkel Prahl, der am Schluckauf starb …«
    Sie stellte noch mehrere Betrachtungen an in dieser Nacht, sagte hie und da noch einmal: »Schließlich soll es ja doch so sein« und schlummerte dann fünf Stunden lang sanft und tief.

6.
    Dunst lag über der Stadt, aber Herr Longuet, Mietkutschenbesitzer in der Johannisstraße, der um acht Uhr in eigener Person einen gedeckten aber an allen Seiten offenen Gesellschaftswagen in der Mengstraße vorfuhr, sagte: »In 'ner lütten Stund' is de Sünn durch«, und somit konnte man beruhigt sein.
    Die Konsulin, Antonie, Herr Permaneder, Erika und Ida Jungmann hatten mit einander gefrühstückt und fanden sich nun Einer nach dem Anderen reisefertig auf der großen Diele ein, um Gerda und Tom zu erwarten. Frau Grünlich, in crême {376} farbenem Kleide mit einer Atlaskravatte unterm Kinn, sah trotz der verkürzten Nachtruhe ganz vortrefflich aus; Zagen und Fragen schienen in ihr ein Ende gefunden zu haben, denn ihre Miene,

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