Buddenbrooks
persönlich an den Schlag, um den Herrschaften beim Aussteigen behülflich zu sein, und während Longuet beiseite fuhr, um auszuspannen, sagte die Konsulin:
»Wir machen nun also zunächst einen Spaziergang, guter Mann, und möchten dann, nach einer Stunde oder anderthalb, {381} ein Frühstück haben. Bitte, lassen Sie uns drüben servieren … aber nicht zu hoch; auf dem zweiten Absatz dünkt mich …«
»Strengen Sie sich an, Dieckmann«, fügte der Konsul hinzu. »Wir haben einen verwöhnten Gast …«
Herr Permaneder protestierte. »I ka Spur! A Bier und a Kaas …«
Allein das verstand Herr Dieckmann nicht, sondern er begann mit großer Geläufigkeit:
»Allens was da is, Herr Kunsel … Krebse, Krabben, diverse Wurst, diverse Käse, geräucherten Aal, geräucherten Lachs, geräucherten Stör …«
»Schön, Dieckmann, Sie werden das schon machen. Und dann geben Sie uns – sechs Gläser Milch und ein Seidel Bier, wenn ich nicht irre, Herr Permaneder, wie? …«
»Einmal Bier, sechsmal Milch … Süße Milch, Buttermilch, dicke Milch, Sattenmilch, Herr Kunsel …«
»Halb und halb, Dieckmann; süße Milch und Buttermilch. In einer Stunde also.«
Und sie gingen über den Platz.
»Zunächst liegt es uns nun ob, die Quelle zu besuchen, Herr Permaneder«, sagte Thomas. »Die Quelle: das heißt die Quelle der Au, und die Au ist das kleine Flüßchen, daran Schwartau liegt und daran im grauen Mittelalter ursprünglich unsere Stadt gelegen war, bis sie niederbrannte – sie wird wohl nicht sehr durabel gewesen sein, wissen Sie – und an der Trave wieder aufgebaut wurde. Übrigens knüpfen sich schmerzliche Erinnerungen an den Namen des Flüßchens. Als Jungen fanden wir es witzig, uns einander in den Arm zu kneifen und zu fragen: Wie heißt der Fluß bei Schwartau? Worauf man natürlich, weil's wehthat, wider Willen den Namen rief … Da!« unterbrach er sich plötzlich, zehn Schritte von dem Anstieg entfernt; »wir sind überholt worden. Möllendorpfs und Hagenströms.«
In der That, dort oben auf der dritten Etage der waldigen {382} Terrasse saßen die hauptsächlichsten Mitglieder dieser beiden vorteilhaft liierten Familien an zwei zusammengerückten Tischen und speisten unter angeregten Gesprächen. Der alte Senator Möllendorpf präsidierte, ein blasser Herr mit weißen, dünnen, spitzen Kotelettes; er war zuckerkrank. Seine Gattin, geborene Langhals, hantierte mit ihrer langgestielten Lorgnette, und nach wie vor umstand das graue Haar unordentlich ihren Kopf. Ihr Sohn war da, August, ein blonder junger Mann von wohlsituiertem Äußeren und Gatte Julchens, der geborenen Hagenström, welche, klein, lebhaft, mit großen, blanken, schwarzen Augen und beinahe ebenso großen Brillanten an den Ohrläppchen, zwischen ihren Brüdern Hermann und Moritz saß. Konsul Hermann Hagenström begann sehr stark zu werden, denn er lebte vortrefflich, und man sagte sich, daß er gleich morgens mit Gänseleberpastete beginne. Er trug einen rötlich blonden, kurzgehaltenen Vollbart, und seine Nase – die Nase seiner Mutter – lag auffallend platt auf der Oberlippe. Doktor Moritz, mit flacher Brust und gelblichem Teint, zeigte in lebhaftem Gespräch seine spitzigen, lückenhaften Zähne. Beide Brüder hatten ihre Damen bei sich, denn auch der Rechtsgelehrte war seit mehreren Jahren verheiratet und zwar mit einem Fräulein Puttfarken aus Hamburg, einer Dame mit butterfarbenem Haar und übermäßig leidenschaftslosen, augenscheinlich anglisierenden, aber außerordentlich schönen und regelmäßigen Gesichtszügen, denn Doktor Hagenström hätte es mit seinem Rufe als Schöngeist nicht vereinbaren können, ein häßliches Mädchen zu ehelichen. Schließlich waren noch die kleine Tochter von Hermann Hagenström, und der kleine Sohn von Moritz Hagenström zugegen, zwei weißgekleidete Kinder, die schon jetzt so gut wie mit einander verlobt waren, denn das Huneus-Hagenströmsche Vermögen sollte nicht verzettelt werden. – Alle aßen Rührei mit Schinken.
Man grüßte sich erst, als Buddenbrooks in geringer Entfer {383} nung an der Gesellschaft vorüberstiegen. Die Konsulin neigte ein wenig zerstreut und gleichsam verwundert den Kopf, Thomas lüftete den Hut, indem er die Lippen bewegte, als sagte er irgend etwas Verbindliches und Kühles, und Gerda verbeugte sich fremd und formell. Herr Permaneder aber, angeregt durch das Steigen, schwenkte unbefangen seinen grünen Hut und rief mit lauter und fröhlicher
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