Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
Vom Netzwerk:
Verwirrung.
    Er ging hinauf, und noch in der dunklen Säulenhalle machte {48} seine Hand eine Bewegung nach der Brusttasche, wo das Papier knisterte. Dann trat er in den Saal, in dessen einem Winkel noch Kerzenreste auf einem der Kandelaber brannten und die abgeräumte Tafel beleuchteten. Der säuerliche Geruch der Chalottensauce lag beharrlich in der Luft.
    Dort hinten bei den Fenstern ging, die Hände auf dem Rükken, Johann Buddenbrook gemächlich auf und ab.

10.
    »Na, min Söhn Johann! wo geiht di dat!« Er blieb stehen und streckte dem Sohne die Hand entgegen, die weiße, ein wenig zu kurze aber feingegliederte Hand der Buddenbrooks. Seine rüstige Gestalt, an der nur die gepuderte Perücke und das Spitzenjabot weiß aufleuchtete, hob sich matt und unruhig beleuchtet von dem Dunkelrot der Fenstervorhänge ab.
    »Noch nicht müde? Ich gehe hier und horche auf den Wind … verflixtes Wetter! Kapitän Kloht ist von Riga unterwegs …«
    »Oh Vater, mit Gottes Hilfe wird alles gut gehen!«
    »Kann ich mich darauf verlassen? Zugegeben, daß du mit dem Herrgott auf du und du stehst …«
    Dem Konsul ward wohler zu Mut angesichts dieser guten Laune.
    »Ja, um zur Sache zu kommen«, fing er an, »so wollte ich Ihnen nicht nur Gute Nacht sagen, Papa, sondern … aber Sie dürfen nicht böse werden, wie? Ich habe Sie mit diesem Briewe – er ist heute Nachmittag gekommen – bis jetzt nicht ennuyieren wollen … an diesem heiteren Abend …«
    »Monsieur Gotthold – voilà!« Der Alte that, als bliebe er ganz ruhig angesichts des bläulichen, versiegelten Papieres, das er entgegennahm. »Herrn Johann Buddenbrook sen. Persönlich … Ein Mann von conduite, dein Herr Stiefbruder, Jean! Habe ich seinen zweiten Brief neulich überhaupt beantwortet? Allein {49} er schreibt einen dritten …« Während sein rosiges Gesicht sich mehr und mehr verdüsterte, zerriß er mit einem Finger das Siegel, entfaltete rasch das dünne Papier, wandte sich schräge, daß die Schrift vom Kandelaber aus beleuchtet ward und führte einen energischen Schlag mit dem Handrücken darauf. Selbst in dieser Handschrift schien Abtrünnigkeit und Rebellion zu liegen, denn während die Zeilen der Buddenbrooks sonst winzig, leicht und schräge über das Papier eilten, waren diese Buchstaben hoch, steil und mit plötzlichem Drucke versehen; viele Wörter waren mit einem raschen, gebogenen Federzug unterstrichen.
    Der Konsul hatte sich ein wenig seitwärts bis zur Wand, wo die Stühle standen, zurückgezogen; aber er setzte sich nicht, da sein Vater stand, sondern erfaßte nur mit einer nervösen Bewegung eine der hohen Lehnen, während er den Alten beobachtete, der, den Kopf zur Seite geneigt, mit finsteren Brauen und schnell sich bewegenden Lippen las …
     
    »Mein Vater!
    Wohl zu Unrecht verhoffe ich, daß Ihr Rechtssinn groß genug sein wird, um die
Entrüstung
zu ästimieren, welche ich empfand, als mein zweiter, so
dringlicher
Brief in betreff der wohl bewußten Angelegenheit ohne Antwort verblieb, nachdem nur auf den ersten eine Entgegnung (ich geschweige welcher Art!) zur Hand gekommen war. Ich muß Ihnen aussprechen, daß die Art, in welcher Sie die Kluft, welche, dem Herrn sei's geklagt, zwischen uns besteht, durch Ihre Hartnäckigkeit vertiefen, eine
Sünde
ist, welche Sie einstmals vor Gottes Richterstuhl aufs
schwerste
werden verantworten müssen. Es ist traurig genug, daß Sie vor Jahr und Tag, als ich, auch gegen Ihren Willen, dem Zuge meines Herzens folgend, meine nunmehrige Gattin ehelichte und durch Übernahme eines Laden-Geschäftes Ihren
maßlosen
Stolz beleidigte, sich so überaus grausam und völlig von mir {50} wandten; allein die Weise, in welcher Sie mich jetzt traktieren, schreit zum Himmel, und sollten Sie vermeinen, daß ich mich angesichts Ihres Schweigens kontentiert und still verhalten werde, so irren Sie
gröblichst
. – Der Kaufpreis Ihres neu erworbenen Hauses in der Mengstraße hat 100 000 Courantmark betragen und ist mir ferner bekannt, daß Ihr Sohn aus zweiter Ehe und Associé,
Johann
, bei Ihnen mietweise wohnhaft ist und nach Ihrem Tode mit dem Geschäfte auch das Haus als alleiniger Besitzer übernehmen wird. Mit meiner Stiefschwester in Frankfurt und ihrem Gatten haben Sie Vereinbarungen getroffen, in die ich mich nicht zu mischen habe. Was aber mich, Ihren ältesten Sohn, angeht, so treiben Sie Ihren
unchristlichen
Zorn so weit, es schlanker Hand zu refüsieren, mir irgend eine

Weitere Kostenlose Bücher