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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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gleichgültig ist, auf welcher Seite sich das … moralische Übergewicht befindet … versteh' mich Tony! Dein Mann hat sich eine Blöße gegeben, darüber besteht kein Zweifel. Er hat sich kompromittiert, sich ein bißchen lächerlich gemacht … lächerlich gerade darum, weil sein Vergehen so harmlos, so wenig ernsthaft zu nehmen ist … Kurz, seine Würde ist nicht mehr unantastbar, eine gewisse Überlegenheit ist jetzt entschieden auf deiner Seite, und gesetzt, daß du sie geschickt zu nutzen verstehst, so ist dein Glück gewiß. Wenn du nun in … sagen wir vierzehn Tagen – ja, bitte, so lange muß ich dich
mindestens
für uns in Anspruch nehmen! – in vierzehn Tagen nach München zurückkehrst, so wirst du sehen …«
    »Ich werde nicht nach München zurückkehren, Thomas.«
    »Wie beliebt?« fragte er, indem er sein Gesicht verzog, eine Hand ans Ohr legte und sich vorwärts beugte …
    Sie lag auf dem Rücken, den Hinterkopf fest in die Kissen gedrückt, sodaß das Kinn mit einer gewissen Strenge vorgeschoben schien. »
Niemals
«, sagte sie; worauf sie lang und geräuschvoll ausatmete und sich räusperte: langsam und ausdrücklich – ein trocknes Räuspern, das anfing, bei ihr zur nervösen Gewohnheit zu werden und wahrscheinlich mit ihrem Magenleiden zusammenhing. – Eine Pause trat ein.
    »Tony«, sagte er plötzlich, indem er aufstand und seine Hand fest auf die Lehne des Empire-Stuhles niedersinken ließ, »du machst mir keinen Skandal! …«
    Ein Seitenblick belehrte sie, daß er bleich war, und daß die Muskeln an seinen Schläfen arbeiteten. Ihre Lage war nicht länger haltbar. Auch sie geriet in Bewegung, und, um die Furcht zu verbergen, die sie vor ihm empfand, ward sie laut und zornig. Sie schnellte empor, sie ließ die Füße vom Bette hinuntergleiten, und mit hitzigen Wangen, zusammengezogenen Brauen und raschen Kopf- und Handbewegungen fing sie an:
    {420} »Skandal, Thomas …?! Du magst mir befehlen, keinen Skandal zu machen, wenn man mich mit Schande bedeckt, mir ganz einfach ins Gesicht speit?! Ist das eines Bruders würdig? … Ja, diese Frage mußt du mir gefälligst erlauben! Rücksicht und Takt sind gute Sachen, bewahre! Aber es giebt eine Grenze im Leben, Tom – und ich kenne das Leben, so gut wie du – wo die Angst vor dem Skandale anfängt, Feigheit zu heißen, ja! Und ich wundere mich, daß ich dir das sagen muß, die ich bloß eine Gans und ein dummes Ding bin … Ja, das bin ich und verstehe es gut, wenn Permaneder mich nie geliebt hat, denn ich bin alt und ein häßliches Weib, das mag sein, und Bábett ist sicherlich hübscher. Aber das enthob ihn nicht der Rücksicht, die er meiner Herkunft und meiner Erziehung und meinem Empfinden schuldete! Du hast nicht gesehen, Tom, in welcher Weise er diese Rücksicht vergaß, und wer es nicht gesehen hat, der weiß gar nichts, denn erzählen läßt es sich nicht, wie widerlich er war in seinem Zustande … Und du hast das Wort nicht gehört, das er mir, mir, deiner Schwester, nachgerufen hat, als ich meine Sachen nahm und das Zimmer verließ, um im Wohnzimmer auf dem Sofa zu schlafen … Ja! da habe ich hinter mir aus seinem Munde ein Wort anhören müssen … ein Wort … ein Wort …! … Kurz, Thomas, dies Wort war es ganz eigentlich, daß du es weißt, was mich veranlaßt,
gezwungen
hat, während der ganzen Nacht zu packen und in aller Frühe Erika zu wecken und davon zu gehen, denn bei einem Manne, in dessen Nähe ich solcher Worte gewärtig sein muß, konnte ich nicht bleiben, und zu einem solchen Manne werde ich, wie gesagt, niemals zurückkehren … oder ich müßte verkommen und könnte mich nicht mehr achten und hätte keinen Halt mehr im Leben!«
    »Willst du nun die Güte haben, mir dieses gottverdammte Wort mitzuteilen, ja oder nein?«
    »Niemals, Thomas! Niemals werde ich es mit meinen Lippen {421} wiederholen! Ich weiß, was ich mir und dir und diesen Räumen schuldig bin …«
    »Dann ist nicht mit dir zu reden!«
    »Das mag sein; und ich wollte, wir redeten auch gar nicht mehr darüber …«
    »Was willst du thun? Willst du dich scheiden lassen?«
    »Das will ich, Tom. Das ist mein fester Entschluß. Das ist die Handlungsweise, die ich mir selbst und meinem Kinde und euch Allen schuldig bin.«
    »Na, das ist also Unsinn«, sagte er gelassen, drehte sich auf dem Absatze um und ging von ihr fort, als ob damit überhaupt das Ganze erledigt sei. »Zum Scheidenlassen gehören Zwei, mein Kind; und

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