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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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daß Permaneder sich so ohne Weiteres mit Vergnügen dazu bereit finden wird, der Gedanke ist doch wohl bloß belustigend …«
    »O, das laß meine Sorge sein«, sagte sie, ohne sich einschüchtern zu lassen. »Du meinst, daß er sich widersetzen wird und zwar wegen meiner 17 000 Thaler Courant; aber Grünlich hat auch nicht gewollt, und man hat ihn gezwungen, da giebt es Mittel, und ich gehe zu Doktor Gieseke; das ist Christians Freund, und der wird mir beistehen … Gewiß, es war etwas Anderes damals, ich weiß, was du sagen willst. Damals war es ›Unfähigkeit des Mannes, seine Familie zu ernähren‹ ja! Du siehst übrigens, daß ich sehr wohl Bescheid weiß in diesen Dingen, während du wahrhaftig thust, als wäre es das erste Mal im Leben, daß ich mich scheiden lasse! … Aber das ist ganz gleich, Tom. Vielleicht geht es nicht an und ist unmöglich – das mag sein; du kannst gern recht haben. Aber das ändert nichts. Das ändert nichts an meinen Entschlüssen. Dann mag er die Groschen behalten – es giebt höhere Dinge im Leben! Aber mich sieht er niemals wieder.«
    Und darauf räusperte sie sich. Sie hatte das Bett verlassen, hatte sich in dem Armsessel niedergelassen, einen Ellenbogen {422} auf die Seitenlehne gestemmt und das Kinn so fest in die Hand vergraben, daß vier gekrümmte Finger die Unterlippe gepackt hielten. So, den Oberkörper seitwärts gewandt, blickte sie mit erregten und geröteten Augen starr durchs Fenster hinaus.
    Der Konsul schritt im Zimmer auf und ab, seufzte, schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln. Schließlich blieb er mit gerungenen Händen vor ihr stehen.
    »Du bist ja ein Kindskopf, Tony!« sagte er verzagt und flehend. »Jedes Wort, das du sprichst, ist ja eine Kinderei! Willst du dich nun nicht, wenn ich dich bitte, dazu bequemen, die Dinge während eines einzigen Augenblickes wie ein Erwachsener anzusehen?! Merkst du denn nicht, daß du dich benimmst, als hättest du etwas Ernstes und Schweres erlebt, als hätte dein Mann dich grausam betrogen, dich vor aller Welt mit Schmach überhäuft!? Aber so bedenke doch nur, daß ja nichts geschehen ist! Daß von diesem albernen Vorkommnis auf eurer Himmelsleiter in der Kaufingerstraße ja keines Menschen Seele etwas weiß! Daß du deiner und unserer Würde durchaus keinen Abbruch thust, wenn du in aller Ruhe und höchstens mit einer etwas moquanten Miene zu Permaneder zurückkehrst … im Gegenteil! daß du unserer Würde erst schadest, indem du das
nicht
thust, denn erst dadurch machst du etwas aus dieser Bagatelle, erst dadurch erregst du Skandal …«
    Sie ließ rasch ihr Kinn los und sah ihm ins Gesicht.
    »Jetzt sei still, Thomas! Jetzt bin ich an der Reihe! Jetzt höre zu! Wie? ist nur das Schande und Skandal, im Leben, was laut wird und unter die Leute kommt? Ach nein! Der heimliche Skandal, der im Stillen an Einem zehrt und die Selbstachtung wegfrißt, der ist viel schlimmer! Sind wir Buddenbrooks Leute, die nach außen hin ›tip-top‹ sein wollen, wie ihr hier immer sagt, und zwischen unseren vier Wänden dafür Demütigungen hinunterwürgen? Tom, ich muß mich wundern über dich! {423} Stelle dir Vater vor, wie er sich heute verhalten würde und dann urteile in seinem Sinne! Nein, Sauberkeit und Offenheit muß herrschen … Du kannst täglich aller Welt deine Bücher zeigen und sagen: Da … Anders darf es mit Keinem von uns sein. Ich weiß, wie Gott mich gemacht hat. Ich fürchte mich gar nicht! Laß Julchen Möllendorpf nur an mir vorübergehen und mich nicht grüßen! Und laß Pfiffi Buddenbrook nur Donnerstags hier sitzen und sich vor Schadenfreude schütteln und sagen: ›Nun, das ist ja leider schon das zweite Mal, aber es hat
natürlich
beide Male an den Männern gelegen!‹ Ich bin so unsäglich erhaben darüber, Thomas! Ich weiß, daß ich gethan habe, was ich für gut hielt. Aber aus Angst vor Julchen Möllendorpf und Pfiffi Buddenbrook Beleidigungen hinunterschlucken und mich in einem ungebildeten Bierdialekt beschimpfen zu lassen … aus Angst vor ihnen bei einem Manne, in einer Stadt auszuhalten, wo ich mich an solche Worte, an solche Scenen, wie die auf der Himmelsleiter, gewöhnen müßte, wo ich mich und meine Herkunft und meine Erziehung und Alles in mir ganz und gar verleugnen lernen müßte, nur um glücklich und zufrieden zu erscheinen – das nenne
ich
unwürdig, das nenne
ich
skandalös, will ich dir sagen …!«
    Sie brach ab, warf das Kinn wieder in die Hand und starrte erregt

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