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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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nun, wie sehr berechtigt dein Schmerz ist, wie völlig dein Mann während eines Augenblickes der Schwäche vergessen hat, was er dir schuldet …«
    »Während eines Augenblickes?!« rief Tony. Sie sprang auf. Sie trat zwei Schritte zurück und trocknete fieberhaft ihre Augen. »Während eines Augenblickes, Mama?! … Was er mir und unserem Namen schuldig ist, das hat er vergessen … das hat er nicht gewußt von Anfang an! Ein Mann, der sich mit der Mitgift seiner Frau ganz einfach zur Ruhe setzt! Ein Mann ohne Ehrgeiz, ohne Streben, ohne Ziele! Ein Mann, der statt des Blutes einen dickflüssigen Malz- und Hopfenbrei in den Adern hat … ja, davon bin ich überzeugt! … der sich dann noch zu solchen Niedrigkeiten herbeiläßt, wie dies mit der Bábett, und, wenn man ihm seine Nichtswürdigkeit vorhält, mit einem Worte antwortet … einem Worte …«
    Sie war wieder bei dem Worte angelangt, diesem Worte, das sie nicht wiederholte. Plötzlich aber that sie einen Schritt vorwärts und sagte mit unvermittelt ruhiger und sanft interessierter Stimme:
    »Wie allerliebst. Woher ist das, Mama?«
    Sie wies mit dem Kinn auf einen kleinen Behälter, einen rohrgeflochtenen Korb, einen zierlichen kleinen Ständer, mit Atlasschleifen geschmückt, in dem die Konsulin seit einiger Zeit ihre Handarbeit zu bewahren pflegte.
    »Ich habe ihn mir zugelegt«, antwortete die alte Dame; »ich hatte ihn nötig.«
    »Vornehm! …« sagte Tony, indem sie das Gestell mit seitwärts geneigtem Kopfe betrachtete. Auch die Konsulin ließ ihre Augen auf dem Gegenstande ruhen, aber ohne ihn zu sehen, in tiefen Gedanken.
    {415} »Nun, meine liebe Tony«, sagte sie endlich, indem sie ihrer Tochter noch einmal die Hände entgegenstreckte, »wie die Dinge auch liegen mögen: Du bist da, und so sei mir denn aufs Herzlichste willkommen, mein Kind. Mit ruhigerem Gemüte wird sich Alles besprechen lassen … Lege ab, in deinem Zimmer, mach es dir bequem … Ida!?« rief sie mit erhobener Stimme in den Eßsaal hinein. »Daß Couverts aufgelegt werden für Madame Permaneder und Erika, Liebe!«

10.
    Tony hatte sich gleich nach Tische in ihr Schlafzimmer zurückgezogen, denn während des Essens war ihr durch die Konsulin die Vermutung bestätigt worden, daß Thomas um ihre Ankunft wisse … und sie schien auf das Zusammentreffen mit ihm nicht sonderlich begierig zu sein.
    Um sechs Uhr nachmittags kam der Konsul herauf. Er begab sich ins Landschaftszimmer, woselbst er eine lange Unterredung mit seiner Mutter hatte.
    »Und wie ist sie?« fragte er. »Wie benimmt sie sich?«
    »Ach, Tom, ich fürchte, sie ist unversöhnlich … Mein Gott, sie ist so sehr gereizt … Und dann dieses Wort … wenn ich nur das Wort wüßte, das er gesagt hat …«
    »Ich gehe zu ihr.«
    »Thu' das, Tom. Aber klopfe leise, daß sie nicht erschrickt, und bleibe ruhig, hörst du? Ihre Nerven sind in Unordnung … Sie hat fast nichts gegessen … Es ist ihr Magen, weißt du … Sprich mit Ruhe zu ihr.«
    Rasch, mit gewohnheitsmäßiger Eile immer eine Stufe überspringend, stieg er die Treppe zur zweiten Etage empor, indem er sinnend an seinem Schnurrbart drehte. Aber schon während er pochte, hellte sein Gesicht sich auf, denn er war entschlossen, die Angelegenheit so lange wie nur möglich mit Humor zu behandeln.
    {416} Er öffnete auf ein leidend klingendes Herein und fand Frau Permaneder vollständig angekleidet auf dem Bette liegend, dessen Vorhänge zurückgeschlagen waren, das Plumeau hinter dem Rücken, ein Fläschchen mit Magentropfen neben sich auf dem Nachttischchen. Sie wandte sich ein wenig, stützte den Kopf auf die Hand und sah ihm mit einem schmollenden Lächeln entgegen. Er verbeugte sich sehr tief, indem er mit ausgebreiteten Händen eine feierliche Geste beschrieb.
    »Gnädige Frau …! Was verschafft uns die Ehre, diese Haupt- und Residenzstädterin …«
    »Gieb mir einen Kuß, Tom«, sagte sie und richtete sich auf, um ihm ihre Wange darzubieten und sich dann wieder zurücksinken zu lassen. »Guten Tag, mein guter Junge! Du bist ganz unverändert, wie ich sehe, seit euren Münchener Tagen!«
    »Na, darüber kannst du hier bei geschlossenen Rouleaux wohl kein Urteil haben, meine Teure. Und jedenfalls hättest du mir das Kompliment nicht vor der Nase wegnehmen dürfen, denn es gebührt natürlich dir …«
    Er hatte, während er ihre Hand in der seinen hielt, einen Stuhl herbeigezogen und sich zu ihr gesetzt.
    »Wie schon so oft ausgesprochen:

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