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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Hoffnung, sie möchte sich beruhigen, besänftigen, anderen Sinnes werden, hatte der Konsul vorläufig nur Eines von ihr verlangt: sich still zu verhalten und, sowie auch Erika, das Haus nicht zu verlassen. Alles konnte sich zum Besten wenden … Fürs Erste sollte nichts in der Stadt bekannt werden. Der Familientag, am Donnerstag, ward abgesagt.
    Aber schon am ersten Tage nach Frau Permaneders Ankunft ward Rechtsanwalt Doktor Gieseke durch ein Schreiben von ihrer Hand in die Mengstraße entboten. Sie empfing ihn allein, in dem Mittelzimmer am Korridor der ersten Etage, wo geheizt worden war und wo sie zu irgend einem Behufe auf einem schweren Tische ein Tintenfaß, Schreibzeug und eine Menge weißen Papiers in Folioformat, das von unten aus dem Comptoir stammte, geordnet hatte. Man nahm in zwei Lehnstühlen Platz …
    »Herr Doktor!« sagte sie, indem sie die Arme kreuzte, den Kopf zurücklegte und zur Decke emporblickte. »Sie sind ein Mann, der das Leben kennt, sowohl als Mensch, wie von Berufs wegen; ich darf offen zu Ihnen sprechen!« Und dann eröffnete sie ihm, wie sich mit Bábett und im Schlafzimmer alles begeben habe, worauf Doktor Gieseke bedauerte, ihr erklären zu müs {429} sen, daß weder der betrübende Vorfall auf der Treppe, noch die gewisse, ihr zuteil gewordene Beschimpfung, über die des Nähern sich zu äußern, sie sich weigere, einen hinlänglichen Scheidungsgrund darstelle.
    »Gut«, sagte sie. »Ich danke Ihnen.«
    Dann ließ sie sich eine Übersicht der zu Recht bestehenden Scheidungsgründe liefern und nahm daranschließend mit offenem Kopf und eindringlichem Interesse einen längeren dotalrechtlichen Vortrag entgegen, worauf sie den Doktor Gieseke vorläufig mit ernster Freundlichkeit entließ.
    Sie begab sich ins Erdgeschoß hinab und nötigte den Konsul in sein Privatcomptoir.
    »Thomas«, sagte sie, »ich bitte dich, dem Manne nun unverzüglich zu schreiben … ich nenne nicht gern seinen Namen. Was mein Geld betrifft, so bin ich aufs Genaueste unterrichtet. Er soll sich erklären. So oder so, mich sieht er nicht wieder. Willigt er in die rechtskräftige Scheidung, gut, so betreiben wir Rechnungslegung sowie Erstattung meiner dos. Weigert er sich, so brauchen wir ebenfalls nicht zu verzagen, denn du mußt wissen, Tom, daß Permaneders Recht an meiner dos nach seiner juristischen Gestalt allerdings Eigentum ist, – gewiß, das ist zuzugeben! – daß ich aber materiell immerhin auch meine Befugnisse habe, gottseidank …«
    Der Konsul ging, die Hände auf dem Rücken, umher und bewegte nervös die Schultern, denn das Gesicht, mit dem sie das Wort »dos« hervorbrachte, war gar zu unsäglich stolz.
    Er hatte keine Zeit. Er war bei Gott überhäuft. Sie sollte sich gedulden und sich gefälligst noch fünfzig mal besinnen! Ihm stand jetzt zunächst, und zwar morgenden Tages, eine Fahrt nach Hamburg bevor: zu einer Konferenz, einer leidigen Unterredung mit Christian. Christian hatte geschrieben, um Unterstützung, um Aushilfe geschrieben, welche die Konsulin seinem dereinstigen Erbe entnehmen mußte. Um seine Ge {430} schäfte stand es jammervoll, und obgleich er beständig einer Reihe von Beschwerden unterlag, schien er sich, im Restaurant, im Cirkus, im Theater, doch königlich zu amüsieren, und, den Schulden nach zu urteilen, die jetzt zu Tage kamen, und die er auf seinen gut klingenden Namen hin hatte machen können, weit über seine Verhältnisse zu leben. Man wußte in der Mengstraße, wußte es im »Klub« und in der ganzen Stadt, wer vor Allem schuld daran war. Es war eine weibliche Person, eine alleinstehende Dame, die Aline Puvogel hieß und zwei hübsche Kinder besaß. Von den Hamburger Kaufherren stand nicht Christian Buddenbrook allein zu ihr in engen und kostspieligen Beziehungen …
    Kurz, es gab außer Tonys Scheidungswünschen der widerwärtigen Dinge noch mehr, und die Fahrt nach Hamburg war dringlich. Übrigens war es wahrscheinlich, daß Permaneder seinerseits zunächst selbst von sich hören lassen würde …
    Der Konsul reiste, und er kehrte in zorniger und trüber Stimmung zurück. Da aber aus München noch immer keine Nachricht gekommen war, so sah er sich genötigt, den ersten Schritt zu thun. Er schrieb; schrieb kühl, sachlich und ein wenig von oben herab: Unleugbar sei Antonie im Zusammenleben mit Permaneder schweren Enttäuschungen ausgesetzt gewesen … auch abgesehen von Einzelheiten habe sie im großen Ganzen das erhoffte Glück in dieser Ehe nicht

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