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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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sind, um, die Peitsche in der Hand, des Wahlergebnisses zu harren; Dienstmädchen mit Halstuch, Schürze und dickem, gestreiftem Rock, die kleine, weiße Mütze auf dem Hinterkopf und den großen Henkelkorb am nackten Arme; Fisch- und Gemüsefrauen mit ihren Strohschuten; sogar ein paar hübsche Gärtnermädchen mit holländischen Hauben, kurzen Röcken und langen, faltigen weißen Ärmeln, die aus dem buntgestickten Mieder hervorquellen … Dazwischen Bürger, Ladenbesitzer aus der Nähe, die ohne Hut herausgetreten sind und ihre Meinungen tauschen, junge, gut gekleidete Kaufleute, Söhne, die im Comptoir ihres Vaters oder eines seiner Freunde ihre drei- oder vierjährige Lehrzeit erledigen, Schuljungen mit Ränzeln und Bücherpaketen …
    Hinter zwei tabakkauenden Arbeitsleuten mit harten Schifferbärten steht eine Dame, die in großer Erregung den Kopf hin und her wendet, um zwischen den Schultern der beiden vierschrötigen Kerle hindurch auf das Rathaus sehen zu können. {456} Sie trägt eine Art von langem, mit braunem Pelz besetzten Abendmantel, den sie von innen mit beiden Händen zusammenhält, und ihr Gesicht ist gänzlich von einem dichten, braunen Schleier verhüllt. Ihre Gummischuhe trippeln rastlos in dem Schneewasser umher …
    »Bi Gott, hei ward dat wedder nich, din Herr Kurz«, sagt der eine Arbeitsmann zum andern.
    »Nee, du Döhsbartel, dat brukst mi nich mehr tau vertellen. Sei stimmen nu je all öwer Hagenström, Kistenmaker un Buddenbrook af.«
    »Je, un nu is dat de Frag', wekker von de dre die annern öwer is.«
    »Je, dat seg du man noch mal.«
    »Weitst wat? Ick glöw, sei wählen Hagenström.«
    »Je, du Klaukscheeter … Red' du un de Düwel.«
    Dann speit er seinen Tabak vor sich nieder, denn das Gedränge erlaubt ihm nicht, ihn im Bogen von sich zu geben, zieht mit beiden Händen die Hose höher unter den Leibriemen hinauf und fährt fort:
    »Hagenström, dat's so'n Freßsack, un krigt nich mal Luft durch die Näs, so fett is hei all … Nee, wo min Herr Kurz dat nu wedder nich warden daut, nu bün ick vör Buddenbrook. Dat's 'n fixen Kierl …«
    »Je, dat segst du wull; öäwer Hagenström is all veel rieker …«
    »Doar kömmp es nich auf an. Dat steiht nich in Frag'.«
    »Un denn is Buddenbrook ook ümmer so höllschen fien mit sin Manschetten un sin sieden Krawatt un sin pielen Snurrboart … Hest em gehen seihn? Hei huppt ümmer so'n beeten as 'n Vagel …«
    »Je, du Dömelklaas, doarvon is nich de Red'.«
    »Hei het je woll 'ne Swester, die von twe Männern wedder aff kamen is?«
    … Die Dame im Abendmantel erbebt …
    {457} »Je, dat's so'n' Saak. Öäwer doar weiten wi nix von, un denn kann der Kunsel doar ook nix för.«
    Nein, nicht wahr?! Denkt die Dame im Schleier, indem sie ihre Hände unterm Mantel zusammenpreßt … Nicht wahr? O, Gott sei Dank!
    »Un denn«, fügt der Mann hinzu, der zu Buddenbrook hält, »un denn hat ook Bürgermeester Oeverdieck Gevadder bi sinen Söhn standen; dat will wat bedüden, will 'k di man vertellen …«
    Nicht wahr? denkt die Dame. Ja, Gott sei Dank, es hat gewirkt! … Sie zuckt zusammen. Ein neues Gerücht ist herausgedrungen, läuft im Zick-Zack nach hinten und gelangt zu ihr. Die allgemeine Wahl hat keine Entscheidung gebracht. Eduard Kistenmaker, der die wenigsten Stimmen erhalten, ist ausrangiert worden. Der Kampf zwischen Hagenström und Buddenbrook dauert fort. Ein Bürger bemerkt mit gewichtiger Miene, daß, wenn sich Stimmengleichheit ergiebt, es nötig sein wird, fünf »Obmänner« zu erwählen, die nach Stimmenmehrheit zu entscheiden haben …
    Plötzlich ruft ganz vorn am Portal eine Stimme:
    »Heine Seehas is wählt!«
    Und dabei ist Seehase ein immer und ewig betrunkener Mensch, der Dampfbrot auf einem Handwagen herumfährt! Alles lacht und stellt sich auf die Zehenspitzen, um sich den Witzbold anzusehen. Auch die Dame im Schleier wird von einem nervösen Lachen ergriffen, das einen Augenblick ihre Schultern erschüttert. Dann jedoch, mit einer Bewegung, die ausdrückt: Ist dies die Stunde Späße zu machen? … nimmt sie sich ungeduldig zusammen und lugt wieder leidenschaftlich zwischen den beiden Arbeitsmännern hindurch zum Rathaus hinüber. Aber in dem selben Augenblick läßt sie die Hände sinken, daß ihr Abendmantel sich vorne öffnet, und steht da, mit hinabgefallenen Schultern, erschlafft, vernichtet …
    Hagenström!
 – Die Nachricht ist da, niemand weiß woher. Sie {458} ist da, wie aus dem

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