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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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mir zu verbieten!«
    »Ja! bei Gott! Das hätte ich!«
    »Und du hättest das Recht nicht dazu gehabt, denn drei meiner Kinder sind einig mit mir!«
    »O, mich dünkt, meine Meinung wiegt die zweier Damen und eines maroden Narren auf …«
    »Du sprichst so lieblos von deinen Geschwistern, wie hart zu mir!«
    »Clara war eine fromme aber unwissende Frau, Mutter! Und Tony ist ein Kind, – das übrigens bis zur Stunde ebenfalls nichts gewußt hat, denn es hätte ja zur Unzeit geplaudert, nicht wahr? Und Christian? … Ja, er hat sich Christians Einwilligung verschafft, dieser Tiburtius … Wer hätte dergleichen von ihm erwartet?! … Weißt du noch nicht, begreifst du noch nicht, was er ist, dieser ingeniöse Pastor? Ein Wicht ist er! Ein Erbschleicher …!«
    »Schwiegersöhne sind immer Filous«, sagte Frau Permaneder mit dumpfer Stimme.
    »Ein Erbschleicher! Was thut er? Er fährt nach Hamburg, er setzt sich an Christians Bett und redet auf ihn ein. ›Ja!‹ sagt Christian. ›Ja, Tiburtius. Gott befohlen. Haben Sie einen Begriff von der Qual in meiner linken Seite? …‹ Oh, Dummheit und Schlechtigkeit sind gegen mich verschworen –!« Und der Senator – außer sich, an das Schmiedeeisengitter der Ofennische gelehnt – drückte seine beiden verschlungenen Hände gegen die Stirn.
    Dieser Paroxysmus von Entrüstung entsprach nicht den Umständen! Nein, es waren nicht diese 127 500 Courantmark, die ihn in einen Zustand versetzten, wie ihn noch niemals {478} irgend jemand an ihm beobachtet hatte! Es war vielmehr dies, daß in seinem vorher schon gereizten Empfinden sich auch dieser Fall noch der Kette von Niederlagen und Demütigungen anreihte, die er während der letzten Monate im Geschäft und in der Stadt hatte erfahren müssen … Nichts fügte sich mehr! Nichts ging mehr nach seinem Willen! War es soweit gekommen, daß man im Hause seiner Väter in den wichtigsten Angelegenheiten »über ihn hinwegging« …? Daß ein Rigaer Pastor ihn rücklings übertölpelte? … Er hätte es verhindern können, aber sein Einfluß war gar nicht erprobt worden! Die Ereignisse waren ohne ihn ihren Gang gegangen! Aber ihm schien, daß das früher nicht hätte geschehen können, daß es früher nicht
gewagt
haben würde, zu geschehen! Es war eine neue Erschütterung des eigenen Glaubens an sein Glück, seine Macht, seine Zukunft … Und es war nichts, als seine innere Schwäche und Verzweiflung, die vor Mutter und Schwester während dieses Auftrittes hervorbrach.
    Frau Permaneder stand auf und umarmte ihn.
    »Tom«, sagte sie, »beruhige dich doch! Komm doch zu dir! Ist es so schlimm? Du machst dich ja krank! Tiburtius braucht ja nicht gar so lange zu leben … und nach seinem Tode fällt ja das Erbteil an uns zurück! Und es soll ja auch geändert werden, wenn du willst! Kann es nicht geändert werden, Mama?«
    Die Konsulin antwortete nur mit Schluchzen.
    »Nein … ach nein!« sagte der Senator, indem er sich zusammenraffte und mit der Hand eine schwach ablehnende Geste beschrieb. »Es ist, wie es ist. Meint ihr, ich werde in die Gerichte laufen und gegen meine Mutter prozessieren, um dem internen Skandal einen öffentlichen hinzuzufügen? Es gehe wie es will …« schloß er und ging mit erschlafften Bewegungen zur Glasthür, wo er noch einmal stehen blieb.
    »Nur glaubt nicht, daß es zum besten mit uns steht«, sagte er gedämpft. »Tony hat 80 000 Courantmark verloren … und {479} Christian hat außer seiner Mitgift von 50 000, die er verthan, schon an die 30 000 Vorschuß verbraucht … die sich vermehren werden, da er ohne Verdienst ist und eine Kur in Oeynhausen gebrauchen wird … Nun fällt nicht nur Claras Mitgift für immer, sondern dereinst auch ihr ganzer Vermögensanteil für unbestimmbare Zeit aus der Familie hinaus … Und die Geschäfte gehen schlecht, sie gehen zum Verzweifeln, genau seit der Zeit, daß ich mehr als Hunderttausend an mein Haus gewandt habe … Nein, es steht nicht gut um eine Familie, in der Veranlassung gegeben wird zu Auftritten, wie dieser hier. Glaubt mir – glaubt mir das Eine: Wäre Vater am Leben, wäre er hier bei uns zugegen: er würde die Hände falten und uns alle der Gnade Gottes empfehlen.«

8.
    Krieg und Kriegsgeschrei, Einquartierung und Geschäftigkeit! Preußische Offiziere bewegen sich in der parkettierten Zimmerflucht der Bel-Etage von Senator Buddenbrooks neuem Hause, küssen der Hausdame die Hände und werden von Christian, der von

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