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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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weiter.
    Die Zukunft ihrer Tochter bekümmerte sie seit Jahren, denn Erika war, verglichen mit anderen heiratsfähigen Mädchen, ja im Nachteile. Frau Permaneder verkehrte nicht nur nicht in der Gesellschaft, sie lebte in Feindschaft mit ihr. Die Annahme, daß man sie in den ersten Kreisen auf Grund ihrer zweimaligen Scheidung als minderwertig betrachte, war ihr ein wenig zur fixen Idee geworden, und sie sah Verachtung und Gehässigkeit da, wo wahrscheinlich oft nichts als Gleichgültigkeit vorhanden war. Wahrscheinlich zum Beispiel würde Konsul Hermann Hagenström, dieser freisinnige und loyale Kopf, den der Reichtum heiter und wohlwollend machte, sie auf der Straße gegrüßt haben, wenn der Blick, mit dem sie zurückgeworfenen Hauptes an seinem Gesichte vorbeisah, diesem »Gänseleberpastetengesicht«, das sie, mit einem ihrer starken Worte, »haßte wie die Pest«, es ihm nicht aufs strengste verboten hätte. So kam es, daß auch Erika der Sphäre ihres Onkels, des Senators, durchaus fern stand, daß sie keine Bälle besuchte und, Herrenbekanntschaften zu machen, sich ihr wenig Gelegenheit bot.
    Dennoch war es, besonders seit sie selbst, wie sie sagte, »abgewirtschaftet« hatte, Frau Antonies heißester Wunsch, daß ihre Tochter die Hoffnungen erfüllen möge, die ihr, der Mutter, fehlgeschlagen, und eine Heirat machen, welche, vorteilhaft und glücklich, der Familie zur Ehre gereichen, und die Schicksale der Mutter vergessen lassen würde. In erster Linie ihrem älteren Bruder gegenüber, der in letzter Zeit so geringe Hoffnungsfreudigkeit an den Tag legte, sehnte Tony sich nach einem Beweise, daß das Glück der Familie noch nicht erschöpft, daß sie keineswegs schon am Ende angelangt sei … Ihre zweite Mitgift, die 17 000 Thaler, die Herr Permaneder mit so viel {483} Coulanz wieder herausgegeben hatte, lagen für Erika bereit, und kaum hatte Frau Antonie, scharfäugig und erfahren, die zarte Verbindung bemerkt, die sich zwischen ihrer Tochter und dem Direktor angesponnen hatte, als sie schon den Himmel mit Gebeten anzugehen begann, Herr Weinschenk möge Visite machen.
    Er that es. Er erschien in der ersten Etage, ward von den drei Damen, Großmutter, Tochter und Enkelin, empfangen, plauderte zehn Minuten lang und versprach, nachmittags um die Kaffeezeit einmal zu zwangloser Unterhaltung wiederzukommen.
    Auch das geschah, und man lernte einander kennen. Der Direktor war aus Schlesien gebürtig, woselbst sein alter Vater noch lebte; seine Familie indes schien nicht in Betracht zu kommen, und Hugo Weinschenk vielmehr ein self-made man zu sein. Er besaß das nicht angeborene, nicht ganz sichere, etwas übertriebene und etwas mißtrauische Selbstbewußtsein eines solchen, seine Formen waren nicht eben vollkommen, und seine Konversation von Herzen ungewandt. Übrigens zeigte sein etwas kleinbürgerlich geschnittener Gehrock einige blanke Stellen, seine Manschetten mit den großen Jettknöpfen waren nicht ganz frisch und sauber, und am Mittelfinger der linken Hand war infolge irgend eines Unglücksfalles der Nagel völlig verdorrt und kohlschwarz … ein ziemlich unerfreulicher Anblick, der aber nicht hinderte, daß Hugo Weinschenk ein hochachtungswerter, fleißiger, energischer Mensch mit 12 000 Courantmark jährlicher Einkünfte und in Erika Grünlichs Augen sogar ein schöner Mann war.
    Frau Permaneder hatte rasch die Lage überblickt und abgeschätzt. Sie sprach sich gegen die Konsulin und den Senator offen darüber aus. Es war klar, daß die Interessen sich entgegenkamen und sich ergänzten. Direktor Weinschenk war, wie Erika, ohne jegliche gesellschaftliche Verbindung; die beiden {484} waren geradezu auf einander angewiesen und von Gott ersichtlich für einander bestimmt. Wollte der Direktor, der sich den Vierzig näherte, und dessen Haupthaar sich zu mêlieren begann, einen Hausstand gründen, was seiner Stellung zukam und seinen Verhältnissen entsprach, so eröffnete ihm die Verbindung mit Erika Grünlich den Eintritt in eine der ersten Familien der Stadt und war geeignet, ihn in seinem Berufe zu fördern, in seiner Position zu befestigen. Was aber Erikas Wohlfahrt betraf, so durfte Frau Permaneder sich sagen, daß wenigstens ihre eigenen Schicksale in diesem Falle ausgeschlossen seien. Mit Herrn Permaneder wies Hugo Weinschenk nicht die geringste Ähnlichkeit auf, und von Bendix Grünlich unterschied er sich durch seine Eigenschaft als solid situierter Beamter mit festem Gehalt, die eine weitere

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