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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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Schelten, sie rief voll ehrlicher Entrüstung die Personen bei Namen, die ihr Leben – und folglich das der Familie Buddenbrook – schädlich beeinflußt hatten und deren Zahl mit der Zeit recht stattlich geworden war. »Thränen-Trieschke!« rief sie. »Grünlich! Permaneder! Tiburtius! Weinschenk! Hagenströms! Der Staatsanwalt! Die Severin! Was für Filous, Thomas, Gott wird sie strafen dereinst,
den
Glauben bewahre ich mir!«
    {740} Als sie hinauf zum »Seetempel« kamen, brach schon die Dämmerung herein; der Herbst war vorgeschritten. Sie standen in einer der nach der Bucht zu sich öffnenden Kammern, in denen es nach Holz roch, wie in den Kabinen der Badeanstalt, und deren roh gezimmerte Wände mit Inschriften, Initialen, Herzen, Versen bedeckt waren. Neben einander blickten sie über den feucht-grünen Abhang und den schmalen, steinigen Strandstreifen hinweg auf die trüb bewegte See hinaus.
    »Breite Wellen …« sagte Thomas Buddenbrook. »Wie sie daherkommen und zerschellen, daherkommen und zerschellen, eine nach der anderen, endlos, zwecklos, öde und irr. Und doch wirkt es beruhigend und tröstlich, wie das Einfache und Notwendige. Mehr und mehr habe ich die See lieben gelernt … vielleicht zog ich ehemals das Gebirge nur vor, weil es in weiterer Ferne lag. Jetzt möchte ich nicht mehr dorthin. Ich glaube, daß ich mich fürchten und schämen würde. Es ist zu willkürlich, zu unregelmäßig, zu vielfach … sicher, ich würde mich allzu unterlegen fühlen. Was für Menschen es wohl sind, die der Monotonie des Meeres den Vorzug geben? Mir scheint, es sind Solche, die zu lange und tief in die Verwicklungen der innerlichen Dinge hineingesehen haben, um nicht wenigstens von den äußeren vor Allem Eins verlangen zu müssen: Einfachheit … Es ist das Wenigste, daß man tapfer umhersteigt im Gebirge, während man am Meere still im Sande ruht. Aber ich kenne den Blick, mit dem man dem einen, und jenen, mit dem man dem andern huldigt. Sichere, trotzige, glückliche Augen, die voll sind von Unternehmungslust, Festigkeit und Lebensmut, schweifen von Gipfel zu Gipfel; aber auf der Weite des Meeres, das mit diesem mystischen und lähmenden Fatalismus seine Wogen heranwälzt, träumt ein verschleierter, hoffnungsloser und wissender Blick, der irgendwo einstmals tief in traurige Wirrnisse sah … Gesundheit und Krankheit, das ist der Unterschied. Man klettert keck in die wundervolle Vielfachheit {741} der zackigen, ragenden, zerklüfteten Erscheinungen hinein, um seine Lebenskraft zu erproben, von der noch nichts verausgabt wurde. Aber man ruht an der weiten Einfachheit der äußeren Dinge, müde wie man ist von der Wirrnis der inneren.«
    Frau Permaneder verstummte so eingeschüchtert und unangenehm berührt, wie harmlose Leute verstummen, wenn in Gesellschaft plötzlich etwas Gutes und Ernstes ausgesprochen wird. Dergleichen sagt man doch nicht! dachte sie, indem sie fest ins Weite sah, um seinen Augen nicht zu begegnen. Und um ihm in der Stille abzubitten, daß sie sich für ihn schämte, zog sie seinen Arm in den ihrigen.

7.
    Es war Winter geworden, Weihnacht war vorüber, man schrieb Januar, Januar 1875. Der Schnee, der die Bürgersteige als eine festgetretene, mit Sand und Asche untermischte Masse bedeckte, lagerte zu beiden Seiten der Fahrdämme in hohen Haufen, die beständig grauer, zerklüfteter und poröser wurden, denn es waren Wärmegrade in der Luft. Das Pflaster war naß und schmutzig, und von den grauen Giebeln troff es. Aber darüber spannte sich der Himmel zartblau und makellos, und Milliarden von Licht-Atomen schienen wie Krystalle in dem Azur zu flimmern und zu tanzen …
    Im Centrum der Stadt war es lebendig, denn es war Sonnabend und Markttag. Unter den Spitzbogen der Rathaus-Arkaden hatten die Fleischer ihre Stände und wogen mit blutigen Händen ihre Ware ab. Auf dem Marktplatze selbst aber, um den Brunnen herum, war Fischmarkt. Dort saßen, die Hände in halb enthaarten Pelzmüffen und die Füße an Kohlenbecken wärmend, beleibte Weiber, die ihre naßkalten Gefangenen hüteten und die umherwandernden Köchinnen und Hausfrauen mit breiten Worten zum Kaufe einluden. Es war keine Gefahr, {742} betrogen zu werden. Man konnte sicher sein, etwas Frisches zu erhandeln, denn die Fische lebten fast alle noch, die fetten, muskulösen Fische … Einige hatten es gut. Sie schwammen, in einiger Enge zwar, aber doch guten Mutes, in Wassereimern umher und hatten nichts auszustehen. Andere

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