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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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besprochen … Alfred Lau {735} ritzen, in firma Stürmann & Lauritzen, Colonialwaren en gros & en détail, war vorige Woche gewählt worden, und Senator Buddenbrook war nicht einverstanden damit. Er saß in seinen Kragenmantel gehüllt, rauchte Cigaretten und warf nur an diesem Punkte des Gespräches ein paar Bemerkungen ein. Er habe Herrn Lauritzen seine Stimme nicht gegeben, sagte er, so viel sei sicher. Lauritzen sei ein ehrenfester Mensch und ein vortrefflicher Kaufmann, ohne Frage; aber er sei Mittelstand, guter Mittelstand, sein Vater habe noch eigenhändig den Dienstmädchen die sauren Häringe aus der Tonne geholt und eingewickelt … und jetzt habe man den Inhaber eines Détail-Geschäftes im Senate. Sein, Thomas Buddenbrooks, Großvater habe sich mit seinem ältesten Sohne überworfen, weil dieser einen Laden erheiratet habe; so seien die Dinge damals gewesen. »Aber das Niveau sinkt, ja, das gesellschaftliche Niveau des Senates ist im Sinken begriffen, der Senat wird demokratisiert, lieber Gieseke, und das ist nicht gut. Kaufmännische Tüchtigkeit thut es doch nicht so ganz, meiner Meinung nach sollte man nicht aufhören, ein wenig mehr zu verlangen. Alfred Lauritzen mit seinen großen Füßen und seinem Bootsmannsgesicht im Ratssaal zu denken, beleidigt mich … ich weiß nicht, was in mir. Es ist gegen alles Stilgefühl, kurzum, eine Geschmacklosigkeit.«
    Aber Senator Gieseke war etwas pikiert. Schließlich war er auch nur der Sohn eines Branddirektors … Nein, dem Verdienste seine Krone. Dafür sei man Republikaner. »Übrigens sollten Sie nicht so viele Cigaretten rauchen, Buddenbrook, Sie haben ja gar nichts von der Seeluft.«
    »Ja, nun höre ich auf«, sagte Thomas Buddenbrook, warf das Mundstück fort und schloß die Augen.
    Träge, während der Regen, der unausbleiblich wieder einsetzte, die Aussicht verschleierte, glitt das Gespräch dahin. Man kam auf den letzten Skandal der Stadt, eine Wechselfälschung, {736} auf Großkaufmann Kaßbaum, P. Philipp Kaßbaum & Co., der nun hinter Schloß und Riegel saß. Man ereiferte sich durchaus nicht; man nannte Herrn Kaßbaums That eine Dummheit, lachte kurz und zuckte die Achseln. Senator Doktor Gieseke erzählte, daß der Großkaufmann übrigens bei gutem Humor geblieben sei. An seinem neuen Aufenthaltsort habe er sogleich einen Toilette-Spiegel verlangt, der in seiner Zelle gefehlt habe. »Ich sitze hier ja nicht Jahre, sondern Jahren«, hatte er gesagt; »da muß ich doch einen Spiegel haben!« – Er war, wie Christian Buddenbrook und Andreas Gieseke, ein Schüler des seligen Marcellus Stengel gewesen.
    Ohne die Miene zu verziehen, lachten die Herren wieder kurz durch die Nase. Sigismund Gosch bestellte Grog von Rum, mit einer Betonung, als wollte er ausdrücken: Was soll das schlechte Leben nützen? … Konsul Döhlmann sprach einer Flasche Aquavit zu, und Christian war wieder beim schwedischen Punsch angelangt, den Senator Gieseke für sich und ihn hatte kommen lassen. Es dauerte nicht lange, bis Thomas Buddenbrook wieder zu rauchen begann.
    Und immer in einem trägen, wegwerfenden und skeptisch fahrlässigen Ton, gleichgültig und schwer gesinnt vom Essen, vom Trinken und vom Regen, sprach man von Geschäften, den Geschäften jedes Einzelnen; aber auch dies Thema belebte Niemanden.
    »Ach, dabei ist nicht viel Freude«, sagte Thomas Buddenbrook mit schwerer Brust und legte angewidert den Kopf über die Stuhllehne zurück.
    »Nun, und Sie, Döhlmann?« erkundigte sich Senator Gieseke und gähnte … »Sie haben sich gänzlich dem Aquavit ergeben, wie?«
    »Wovon soll der Schornstein rauchen«, sagte der Konsul. »Ich kucke alle paar Tage mal ins Comptoir. Kurze Haare sind bald gekämmt.«
    {737} »Und alles Wichtige haben ja doch Strunck & Hagenström in Händen«, bemerkte trübe der Makler Gosch, der seinen Ellenbogen weit vor sich hin auf den Tisch gestützt hatte und den bösartigen Greisenkopf in der Hand ruhen ließ.
    »Gegen einen Haufen Mist kann man nicht anstinken«, sagte Konsul Döhlmann mit einer so geflissentlich ordinären Aussprache, daß Jedermann wie durch einen hoffnungslosen Cynismus trübe gestimmt werden mußte. »Na, und Sie, Buddenbrook, thun Sie noch was?«
    »Nein«, antwortete Christian; »ich kann es nun nicht mehr.« Und ohne Übergang, lediglich aus seinem Verständnis der herrschenden Stimmung heraus, und aus dem Bedürfnis, sie zu vertiefen, begann er plötzlich, den Hut schräg in die Stirn geschoben, von

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