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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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grün-plüschenen Armlehnen, der vor einem der beiden Fenster stand. Während er sich niederließ, erklärte Thomas Buddenbrook kurz, um was es sich handele, legte den Kopf zurück und schloß die Augen.
    Herr Brecht schrob ein wenig an dem Stuhle und machte sich {747} dann mit einem Spiegelchen und einem Stahlstäbchen an dem Zahne zu schaffen. Seine Hand roch nach Mandelseife, sein Atem nach Beefsteak und Blumenkohl.
    »Wir müssen zur Extraktion schreiten«, sagte er nach einer Weile und erblich noch mehr.
    »Schreiten Sie nur«, sagte der Senator und schloß die Lider noch fester.
    Nun trat eine Pause ein. Herr Brecht präparierte an einem Schranke irgend etwas und suchte Instrumente hervor. Dann näherte er sich dem Patienten aufs Neue.
    »Ich werde ein bißchen pinseln«, sagte er. Und sogleich begann er, diesen Entschluß zur That zu machen, indem er das Zahnfleisch ausgiebig mit einer scharf riechenden Flüssigkeit bestrich. Hierauf bat er leise und herzlich, stille zu halten und den Mund sehr weit zu öffnen und begann sein Werk.
    Thomas Buddenbrook hielt mit beiden Händen die Sammet-Armpolster fest erfaßt. Er empfand kaum das Ansetzen und Zugreifen der Zange, bemerkte dann aber an dem Knirschen in seinem Munde sowie an dem wachsenden, immer schmerzhafter und wütender werdenden Druck, dem sein ganzer Kopf ausgesetzt war, daß Alles auf dem besten Wege sei. Gott befohlen! dachte er. Nun muß es seinen Gang gehen. Dies wächst und wächst bis ins Maßlose und Unerträgliche, bis zur eigentlichen Katastrophe, bis zu einem wahnsinnigen, kreischenden, unmenschlichen Schmerz, der das ganze Gehirn zerreißt … Dann ist es überstanden; ich muß es nun abwarten.
    Es dauerte drei oder vier Sekunden. Herrn Brechts bebende Kraftanstrengung teilte sich Thomas Buddenbrooks ganzem Körper mit, er wurde ein wenig auf seinem Sitze emporgezogen und hörte ein leise piependes Geräusch in der Kehle des Zahnarztes … Plötzlich gab es einen furchtbaren Stoß, eine Erschütterung, als würde ihm das Genick gebrochen, begleitet von einem kurzen Knacken und Krachen. Er öffnete hastig die {748} Augen … Der Druck war fort, aber sein Kopf dröhnte, der Schmerz tobte heiß in dem entzündeten und mißhandelten Kiefer, und er fühlte deutlich, daß dies nicht das Bezweckte, nicht die wahre Lösung der Frage, sondern eine verfrühte Katastrophe sei, die die Sachlage nur verschlimmerte … Herr Brecht war zurückgetreten. Er lehnte am Instrumentenschrank, sah aus wie der Tod und sagte:
    »Die Krone … Ich dachte mir's.«
    Thomas Buddenbrook spie ein wenig Blut in die blaue Schale zu seiner Seite, denn das Zahnfleisch war verletzt. Dann fragte er halb bewußtlos:
    »Was dachten Sie sich? Was ist mit der Krone?«
    »Die Krone ist abgebrochen, Herr Senator … Ich fürchtete es … Der Zahn ist außerordentlich defekt … Aber es war meine Pflicht, das Experiment zu wagen …«
    »Was nun?«
    »Überlassen Sie Alles mir, Herr Senator …«
    »Was muß geschehen?«
    »Die Wurzeln müssen entfernt werden. Vermittelst des Hebels … Es sind vier an der Zahl …«
    »Vier? Also ist viermaliges Ansetzen und Ziehen nötig?«
    »Leider.«
    »Nun, für heute ist es genug!« sagte der Senator und wollte sich rasch erheben, blieb aber trotzdem sitzen und legte den Kopf zurück.
    »Lieber Herr, Sie dürfen nur Menschliches verlangen«, sagte er. »Ich stehe nicht auf den festesten Füßen … Für dies Mal bin ich jedenfalls fertig … Wollen Sie die Güte haben, das Fenster da einen Augenblick zu öffnen?«
    Dies that Herr Brecht und dann erwiderte er:
    »Es wäre mir vollkommen lieb, Herr Senator, wenn Sie morgen oder übermorgen zu einer beliebigen Stunde wieder vorsprechen möchten und wir die Operation bis dahin verschö {749} ben. Ich muß gestehen, ich selbst … Ich werde mir jetzt erlauben, noch eine Spülung und eine Pinselung vorzunehmen, um den Schmerz vorläufig zu lindern …«
    Er nahm die Spülung und die Pinselung vor, und dann ging der Senator, begleitet von dem bedauernden Achselzucken, an das der schneebleiche Herr Brecht seine letzten Kräfte verausgabte.
    »Einen Momang … bitte!« schrie Josephus, als sie das Wartezimmer passierten, und er schrie es noch, als Thomas Buddenbrook schon die Treppe hinunterstieg.
    Vermittelst des Hebels … ja, ja, das war morgen. Was nun? Nach Hause und ruhen, zu schlafen versuchen. Der eigentliche Nervenschmerz schien betäubt; es war nur ein dunkles, schweres Brennen

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