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Buddenbrooks

Buddenbrooks

Titel: Buddenbrooks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann
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ennüyiert, das ist das Ganze.« Aber er strafte sich selber Lügen, indem er plötzlich hervorzischte: »Parbleu, Jean! man müßte diesen infamen Schmierfinken den Respekt mit Pulver und Blei in den Leib knallen … Das Pack …! Die Canaille …!«
    Der Konsul summte begütigend. »So … so … Sie haben ja recht, es ist eine ziemlich unwürdige Komödie … Aber was soll man thun? Man muß gute Miene machen. Es wird Abend. Die Leute werden schon abziehen …«
    »Wo ist mein Wagen? … Ich befehle meinen Wagen!« kommandierte Lebrecht Kröger gänzlich außer sich. Seine Wut explodierte, er bebte am ganzen Leibe. »Ich habe ihn auf fünf Uhr bestellt! … Wo ist er? … Die Sitzung wird nicht abgehalten … Was soll ich hier? … Ich bin nicht gesonnen, mich narren zu lassen! … Ich will meinen Wagen! … Insultiert man meinen Kutscher? Sehen Sie nach, Buddenbrook!«
    »Lieber Schwiegervater, um Gotteswillen, beruhigen Sie sich! Sie alterieren sich … das bekommt Ihnen nicht! Selbstverständlich … ich gehe nun, mich nach Ihrem Wagen umzusehen. Ich selbst bin dieser Lage überdrüssig. Ich werde mit den Leuten sprechen, sie auffordern, nach Hause zu gehen …«
    Und obgleich Lebrecht Kröger protestierte, obgleich er mit plötzlich ganz kalter und verächtlicher Betonung befahl: »Halt, hiergeblieben! Sie vergeben sich nichts, Buddenbrook!« schritt der Konsul schnell durch den Saal.
    {207} Dicht bei der kleinen grünen Thür wurde er von Siegismund Gosch eingeholt, der ihn mit knochiger Hand am Arm ergriff und mit gräßlicher Flüsterstimme fragte: »Wohin, Herr Konsul? …«
    Das Gesicht des Maklers war in tausend tiefe Falten gelegt. Mit dem Ausdruck wilder Entschlossenheit schob sich sein spitzes Kinn fast bis zur Nase empor, sein graues Haar fiel düster in Schläfen und Stirn, und er hielt seinen Kopf so tief zwischen den Schultern, daß es ihm wahrhaftig gelang, das Aussehen eines Verwachsenen zu bieten, als er hervorstieß:
    »Sie sehen mich gewillt, zum Volke zu reden.«
    Der Konsul sagte:
    »Nein, lassen Sie mich das lieber thun, Gosch … Ich habe wahrscheinlich mehr Bekannte unter den Leuten …«
    »Es sei!« antwortete der Makler tonlos. »Sie sind ein größerer Mensch, als ich.« Und indem er seine Stimme erhob, fuhr er fort: »Aber ich werde Sie begleiten, ich werde an Ihrer Seite stehen, Konsul Buddenbrook! Mag die Wut der entfesselten Sklaven mich zerreißen …«
    »Ach, welch ein Tag! Welch ein Abend!« sagte er, als sie hinausgingen … Sicherlich hatte er sich noch niemals so glücklich gefühlt. »Ha, Herr Konsul! Da ist das Volk!«
    Die Beiden hatten den Korridor überschritten und traten vor die Hausthür hinaus, indem sie auf der oberen der drei schmalen Stufen stehen blieben, die auf das Trottoir führten. Die Straße bot einen befremdenden Anblick. Sie war ausgestorben, und an den offenen, schon erleuchteten Fenstern der umliegenden Häuser gewahrte man Neugierige, die auf die schwärzliche, sich vorm Bürgerschaftshause drängende Menge der Aufrührer hinabblickten. Diese Menge war an Zahl nicht viel stärker, als die Versammlung im Saale und bestand aus jugendlichen Hafen- und Lagerarbeitern, Dienstmännern, Volksschülern, einigen Matrosen von Kauffahrteischiffen und an {208} deren Leuten, die in den geringen Stadtgegenden, in den »Twieten«, »Gängen«, »Wischen« und »Höfen« zu Hause waren. Auch drei oder vier Frauen waren dabei, die sich von diesem Unternehmen wohl ähnliche Erfolge versprachen, wie die Buddenbrooksche Köchin. Einige Empörer, des Stehens müde, hatten sich, die Füße im Rinnstein, auf den Bürgersteig gesetzt und aßen Butterbrot.
    Es war bald sechs Uhr, und obgleich die Dämmerung weit vorgeschritten war, hingen die Öllampen unangezündet an ihren Ketten über der Straße. Diese Thatsache, diese offenbare und unerhörte Unterbrechung der Ordnung, war das Erste, was den Konsul Buddenbrook aufrichtig erzürnte, und sie war schuld daran, daß er in ziemlich kurzem und ärgerlichem Tone zu sprechen begann:
    »Lüd, wat is dat nu bloß für dumm Tüg, wat Ji da anstellt!«
    Die Vespernden waren vom Trottoir emporgesprungen. Die Hinteren, jenseits des Fahrdammes, stellten sich auf die Zehenspitzen. Einige Hafenarbeiter, die im Dienste des Konsuls standen, nahmen ihre Mützen ab. Man machte sich aufmerksam, stieß sich in die Seiten und sagte gedämpft:
    »Dat's Kunsel Buddenbrook! Kunsel Buddenbrook will 'ne Red' hollen! Holl din

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