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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Sonnenblick
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mir der tödliche Blick des Typen zu ihrer Rechten völlig entging.
    Na gut. Wenigstens gab es ein menschliches Wesen in dieser Stadt. Oder zwei, wenn man an den freundlichen Weihnachtsmann glaubte. Ich setzte mich und der Unterricht begann. Mr Dowd ließ uns alle eine Tafel voll Notizen über den Buddhismus abschreiben. Die Tafel ähnelte ganz erstaunlich einer, die ebenfalls voller Text über den Buddhismus gewesen war und die ich an einem ersten Schultag in Texas hatte abschreiben müssen. Ich murmelte: »Ein Mond zeigt sich in jedem Teich, in jedem Teich der eine Mond.« Die Lehrerin, die ich von allen bisherigen am liebsten mochte, Mrs Brown, hatte das immer gesagt, wenn ich bemerkt hatte, dass meine Schule in Houston genauso war wie die davor in Alabama. Anscheinend hatten die Zen-Meister in Japan vor Hunderten von Jahren solche Dinge von sich gegeben.
    Mr Dowd starrte mich an. »Verzeihung, hast du etwas gesagt, San Lee?«
    Seine trickreiche Art, rhetorische Fragen zu stellen, musste man einfach lieben, und am liebsten hätte ich gesagt: Nein, der Dicke in der Ecke ist Bauchredner und ich bin seine neue Puppe. Aber meine Mutter hatte mir eingebläut, keine Aufmerksamkeit zu erregen, denn an dieser Schule sei für mich Endstation. Also machte ich auf braven Jungen. »Nein, Sir.«
    In seinen Augen blitzte es wieder. »Komisch, ich könnte schwören, du hättest eben ein eindrucksvolles Zitat über die universale Natur der Wirklichkeit gemurmelt. Dann hat mir wohl das Schmalz in meinen Ohren einen Streich gespielt. Wie dem auch sei …«
    Während Mr Dowd einen vermutlich atemberaubenden Vortrag über die verschiedenen Zweige des Buddhismus vom Stapel ließ, ertappte ich mich dabei, wie ich zum Beatles-Mädchen hinüberschaute. Sie kaute auf dem Radiergummiende ihres Bleistifts herum und konzentrierte sich auf jedes Wort von Santa Dowd. Fast alle anderen Schüler übrigens auch. Vielleicht war sein Vortrag ja wirklich so gut. Nur der Typ neben dem Beatles-Mädchen starrte mich an und diesmal war seine Botschaft klar und deutlich: Finger weg!
    So befasste ich mich eifrig mit der Bemalung meines neuen Heftes. Zuerst zeichnete ich drei ineinandergreifende Yin-Yang-Symbole. Dann schrieb ich unter das mittlere mit halb umrandeten und halb normalen Großbuchstaben: LACHENDER BOGENSCHÜTZE. Das war der Name einer echt coolen Untergrundband aus Houston, die in unserer Nachbarschaft für Leute jeden Alters gespielt hatte. Die Wörter füllten versehentlich die Zeile aus, auf der NAME stand. Aber da man seinen Namen ja sowieso auf jede Seite jedes Schulhefts auf der Welt schreibt, schien mir das kein großes Ding zu sein.
    Komisch, wie unschuldig immer alles beginnt.

Sei
du selbst
    Bevor die Sache mit meinem Vater so richtig schlimm wurde, nahm er mich auf kleine Ausflüge mit. Er machte bestimmte Phasen durch, was rückblickend eigentlich verständlich ist. In Houston fuhren wir mit einem kleinen flachen Ruderboot auf die Flussarme hinaus zum Angeln. In Alabama wurde jeden Sonntag nach dem Gottesdienst der Baptistengemeinde gejoggt. In die Kirche der Baptisten zu gehen, gehörte damals wohl auch zu einer Phase. In Connecticut waren wir Methodisten. Und es kann sein, dass wir, als ich noch klein war und in Kalifornien lebte, zu den Unitariern gehörten – das sind die, bei denen jedes Mitglied seine eigenen religiösen Vorstellungen mit einbringen kann, also ziemlich liberale Christen.
    Egal. Es ist jedenfalls leicht, in all das Verrückte hineingezogen zu werden, bloß weil ich beschreiben will, was mit meinem Vater passiert ist. Aber ich werde versuchen, beim Thema zu bleiben. In jedem Bundesstaat hatte ich festgestellt, dass dies das Wichtigste ist, wenn man für den staatlichen Test einen Aufsatz schreiben muss.
    Also: In Kalifornien befanden wir uns in der Phase des Bogenschießens. Dad und ich luden unsere Bogen, unsere Köcher mit Pfeilen und einen großen zusammenklappbaren Metallständer mit Zielscheibe in unseren Volvo-Kombi (kann auch sein, dass es in Kalifornien der lila Minivan war) und fuhren zu einem riesigen Feld hinter dem Laden für Jagdausrüstungen. Als wir mit dem Bogenschießen anfingen, kaufte Dad eine von diesen Zielscheiben mit fünf verschieden farbigen Kreisen. Mir gefiel sie, weil man damit gut Mathe üben konnte. Die gelbe Mitte war neun Punkte wert, der rote Ring sieben,

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