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Buddha-Boy

Buddha-Boy

Titel: Buddha-Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jordan Sonnenblick
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adoptiert und an westliche Verhältnisse angepasst worden war. Aber war ich der Schüchterne, der die Fragen der Lehrer beantwortete, oder einer, der unter den bohrenden Blicken einer ganzen Klasse in sich zusammenfiel? Sollte ich »weiß nicht« murmeln? Wieder vom Stuhl fallen? Ohnmächtig werden und hoffen, dass Woody die Gelegenheit ergriff, mich mit Mund-zu-Mund-Beatmung wiederzubeleben?
    Meine Augen blitzten rüber zur neuen Liebe meines Lebens. Sie lächelte mir aufmunternd zu, machte aber nicht den Eindruck, als sei sie im Notfall bereit, an mir eine Herz-Lungen-Reanimation durchzuführen.
    Ach, was soll’s , dachte ich und versuchte, die Frage zu beantworten. »Also, der indische Buddhismus wurde vor ungefähr fünfzehnhundert Jahren von Kaufleuten nach China gebracht. Es heißt, dass ein Mann namens Bodhidharma der erste Zen-Meister war. Er und seine Anhänger verbanden die Grundideen des indischen Buddhismus mit früheren chinesischen Traditionen, wie Taoismus und Konfuzianismus, um den Chan-Buddhismus zu gründen, den die Japaner später Zen nannten. Chan bedeutet übrigens Meditation.«
    Hatte ich das alles wirklich gesagt? Ich fürchte, ich hatte mich gerade entschieden, was für eine Art schüchterner Typ ich sein wollte. Ich holte tief Luft, schaute mich um und sah, dass mich alle anstarrten, als wäre mir eben ein zweiter Kopf gewachsen. Alle außer Mr Dowd und Woody, die beide lächelten. Hmm … zu tun, als ob man klug wäre, brachte vielleicht doch gewisse Vorteile mit sich.
    Mr Dowd nickte. »Sehr gut, San. Hast du dich bereits … ähm … mit Zen-Buddhismus befasst?«
    Super. Einerseits mieden Lehrer meist ein Thema wie den persönlichen Glauben eines Schülers wie der Teufel das Weihwasser. Andererseits war mir klar, dass alle im Raum dachten: Chinese = Buddhist . Und Woody lächelte immer noch.
    Ich machte auf cool. »Das könnte man so sagen.« Ein geheimnisvolles und wissendes Halblächeln umspielte meine Lippen. Wow, ich hatte ein geheimnisvolles und wissendes Halblächeln!
    Der Unterricht ging weiter und ich beantwortete noch ein paar Fragen. Fast am Ende der Stunde beugte sich der wütende Typ neben Woody – der GROSSE wütende Typ, falls ich vergessen haben sollte, das zu erwähnen – über sie und fragte mich lautstark: »So, Buddha-Boy, dann sag mal, wenn ein Baum im Wald umfällt und niemand in der Gegend ist, um das zu hören – macht er dann ein Geräusch?«
    Ein normaler Lehrer hätte den Kerl zurechtgewiesen, weil er den Neuen unüberhörbar attackierte. Aber Mr Dowd lehnte sich nur an die Tafel und blinzelte. Ich hoffte, dass ihm die Kreide den Rücken verschmierte. Andererseits stellte ich erfreut fest, dass sich Woody über das schiefe Grinsen, das der Junge jetzt aufgesetzt hatte, zu ärgern schien.
    Schüchtern oder nicht, ich würde mich nicht zum Prügelknaben eines Anabolika-Fans machen lassen. Also erwiderte ich ruhig und leise: »Wenn ein Affe schreit und keiner hinhört, ist er dann immer noch ein Affe?«
    Es vergingen ein paar Sekunden, in denen alle das erst mal verarbeiteten. Dem folgte tiefes Luftholen, dann eine Woge von Kichergeräuschen. Zwei schwächlich aussehende Jungs, die ich am Schachtisch gesehen hatte, gaben sich vor Freude High-Fives. Jemand, der ganz vorn saß, murmelte: »Klasse, dem Jones hat er es aber gegeben!«
    Ich fühlte mich ziemlich gut – bis ich Woodys Miene sah. Jetzt schien auch sie sich über mich zu ärgern.
    Alle schauten von mir zur muskulösen Gestalt von Jones und fragten sich, ob Sozialkunde plötzlich interessant werden würde. Aber Mr Dowd durchbrach gelassen die Stille, indem er uns ein Kapitel zum Lesen aufgab. Zu meinem Glück waren es noch mehr Sachen, die ich bereits kannte. Falls mir Jones nach dem Unterricht alle Finger brechen würde, brauchte ich mich also nicht zu bemühen, mit einem klobigen Gipsverband in den Seiten herumzublättern.
    Als es läutete, ließ ich mir viel Zeit beim Zusammenpacken. Wäre ich aus dem Zimmer gerannt, hätte ich wie ein Feigling ausgesehen. Okay, ich war ein Feigling, aber das musste man ja nicht unbedingt an die große Glocke hängen.
    Ein Schatten fiel über mich. Ein breiter Schatten. Ich sah von meiner faszinierenden Tätigkeit des Reißverschlusszuziehens hoch. Jones beugte

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